Die Macht des Geistes
haben ihre geistigen Fähigkeiten sich plötzlich vervielfältigt, ohne daß der alte Aberglaube, die früheren Vorurteile und Befürchtungen verschwunden wären. Deshalb verbringen sie jetzt ihre Zeit damit, diese Vorstellungen gründlich zu durchdenken. Dann kommt eine Sekte wie dieser Dritte Baal und bietet den Menschen ein Allheilmittel für alle ihre Sorgen und Kümmernisse an; der Prophet verkündet öffentlich, es sei ganz in Ordnung, nicht mehr nachzudenken, sondern sich nur von Gefühlen leiten zu lassen. Die Sekte kann nicht ewig Erfolg haben, aber die Übergangszeit ist bestimmt nicht leicht.«
»Hmmm«, meinte Corinth zweifelnd. »Und ich merke erst jetzt, nachdem ich einen I.Q. von über sechshundert habe – was allerdings nichts zu bedeuten hat –, wie wenig das Gehirn doch ausmacht. Eine hübsche Vorstellung.« Er drückte seine Zigarette aus.
Helga schloß den Schreibtisch ab. »Können wir jetzt gehen?«
»Selbstverständlich. Es ist schon bald Mitternacht. Sheila macht sich bestimmt schon Sorgen um mich, fürchte ich.«
Sie gingen durch die dunkle Halle an dem Wachtposten vorüber auf die Straße hinaus. Helgas Wagen stand unter einer der wenigen noch brennenden Straßenlaternen. Corinth saß schweigend neben ihr, als sie durch die dunklen Straßen fuhren.
»Ich wünschte ...« Ihre Stimme war nur ein Flüstern in der Dunkelheit. »Ich wünschte, ich wäre irgendwo auf dem Land. Oder im Gebirge.«
Corinth nickte. Auch er sehnte sich nach frischer Luft und einem weiten Himmel voller Sterne.
Der Mob ergoß sich so rasch aus mehreren Seitenstraßen gleichzeitig, daß sie nicht mehr vor ihm fliehen konnten. Eben noch hatten sie nur die dunklen Mauern der Wolkenkratzer vor sich, aber schon im nächsten Augenblick tauchten von allen Seiten Menschenmassen auf. Helga bremste, als die ersten Männer vor dem Wagen auftauchten.
»Bringt die Wissenschaftler um!« Zuerst hatte nur eine schrille Stimme diesen Schlachtruf verkündet, aber dann fielen andere ein. Corinth zuckte zusammen, als die ersten Flammen aus einem Gebäude vor ihnen schlugen.
Sie müssen die Absperrkette durchbrochen haben, überlegte er. Sie sind in dieses bewachte Gebiet eingedrungen, um alles zu zerstören, bevor Verstärkungen eintreffen.
Ein schmutziges Gesicht erschien in dem offenen Fenster neben Helga. »Eine Frau!« sagte eine Stimme. »Er hat eine Frau im Wagen!«
Corinth nahm den Revolver aus der Manteltasche und schoß. Das Gesicht blieb eine Ewigkeit lang vor dem Fenster, bevor der Bärtige lautlos zusammenbrach. Die Menge brüllte. Der Wagen schwankte unter ihrem Ansturm.
Corinth stemmte seine eigene Tür auf, wobei er den Widerstand des Mobs zu überwinden hatte. Irgend jemand griff nach seinen Füßen, als er auf die Motorhaube des Wagens kletterte. Corinth riß sich los und richtete sich auf. Der Feuerschein strahlte sein Gesicht rot an. Er hatte seine Brille abgenommen, ohne sich zu überlegen, weshalb es besser war, ohne sie aufzutreten; deshalb sah er die umliegenden Gebäude und die Menschen nur als undeutliche Schatten.
»Hört mir zu!« rief er laut. »Hört auf mich, Jünger Baals!«
Eine Kugel zischte dicht an seinem Kopf vorbei, aber Corinth zuckte nicht einmal zusammen. »Hört das Wort Baals!«
»Laßt ihn reden!« befahl jemand in der Menge. »Hört auf das Wort.«
»Blitz und Donner und Bombenhagel!« brüllte Corinth. »Eßt, trinkt und seid fröhlich, denn das Ende der Welt ist nahe! Merkt ihr nicht, daß der Planet unter euren Füßen auseinanderbricht? Die Wissenschaftler haben die große Atombombe gezündet. Wir haben uns auf den Weg gemacht, um sie zu ermorden, bevor die Welt wie eine überreife Pflaume zerplatzt. Helft ihr uns?«
Die Menschenmassen wogten unentschlossen, als seien sie sich noch nicht darüber im klaren, was sie hier gefunden hatten. Corinth sprach weiter und wußte nicht einmal, was er sagte: »Mordet und stehlt und plündert! Brecht die Läden auf! Laßt das Feuer, das reine Feuer, die Wissenschaftler verzehren, die die große Atombombe gezündet haben. Weiter die Straße entlang, Brüder! Ich weiß, wo sie sich versteckt halten. Folgt mir!«
»Bringt sie um!« Die Massen wiederholten begeistert ihren alten Schlachtruf, der durch die Schluchten von Manhattan dröhnte.
»Dort vorn!« Corinth wies in Richtung von Brooklyn. »Sie halten sich dort versteckt, Jünger Baals. Ich habe die große Atombombe selbst gesehen, mit meinen eigenen Augen habe ich sie gesehen, und ich
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