Die Macht des Lichts
»Beschafft Verin Sedai ein eigenes Zelt, in dem sie warten kann, während wir das Lager abbrechen. Teilt ihr ein paar Soldaten zu, die sie mit dem versorgen sollen, was sie braucht. Und informiert die anderen Aes Sedai darüber, dass sie hier ist. Vermutlich interessiert es sie, von ihrer Ankunft zu hören. Aes Sedai sind schließlich Aes Sedai.«
Er schob den Brief unter den Gürtel, dann setzte er sich in Bewegung. »Und lasst jemanden diese verdammte Bank verbrennen. Einfach unfassbar, dass wir dieses Ding so weit mitgeschleppt haben.«
Tuon war tot. Fort, weggeworfen, vergessen. Tuon war die Tochter der Neun Monde gewesen. Jetzt war sie nur noch eine Randnotiz in den Geschichtsbüchern. Fortuona war die Kaiserin.
Fortuona Athaem Devi Paendrag küsste den Soldaten sanft auf die Stirn, der mit gesenktem Haupt im kurzen Gras kniete. Die schwüle altaranische Hitze erweckte den Eindruck, als wäre der Sommer bereits eingetroffen, aber das Gras, das noch vor wenigen Wochen so voller Leben erschienen war, fing bereits an zu verdorren. Wo waren das Unkraut und die Disteln? In der letzten Zeit wuchs nichts mehr so, wie es sollte. Genau wie das Getreide verdarb alles und starb, bevor es richtig lebte.
Der Soldat vor Fortuona war einer von fünfen. Hinter diesen fünf standen zweihundert Angehörige der Faust des Himmels - die Elite ihrer Angriffstruppen. Sie trugen Brustpanzer aus dunklem Leder und Helme aus leichtem Holz und Leder, die wie Insekten geformt waren. Helme und Brustpanzer waren mit dem Symbol einer geballten Faust versehen. Fünzig Paare aus Sul’dam und Damane, darunter Dali und ihre Sul’dam Malahavana, die Fortuona für die Sache gestiftet hatte. Sie hatte das Bedürfnis verspürt, dieser ungemein wichtigen Mission ein persönliches Opfer zu bringen.
Dahinter drängten sich Hunderte To’raken in den Ställen, die von ihren Führern auf den kommenden Flug vorbereitet wurden. Ein Schwarm Raken kreiste bereits anmutig am Himmel.
Fortuona schaute auf den Soldaten vor ihr hinab und legte ihm die Finger auf die Stirn, dort, wo sie ihn geküsst hatte. »Möge Euer Tod den Sieg bringen«, zitierte sie leise die rituellen Worte. »Möge Euer Messer Blut fließen lassen. Mögen Eure Kinder bis zum letzten Sonnenaufgang Euer Loblied singen.«
Er senkte den Kopf noch tiefer. Er trug schwarzes Leder, genau wie die vier anderen in der Reihe. Drei Messer hingen an seinem Gürtel, und er hatte weder Umhang noch Helm. Er war ein kleiner Mann - alle Angehörigen der Faust des Himmels waren klein und gedrungen, und über die Hälfte dieser Gruppe bestand aus Frauen. Das Gewicht war immer ein wichtiger Punkt, wenn es um Missionen mit To’raken ging. Bei einem Angriff waren zwei kleine, gut ausgebildete Soldaten einem schwerfälligen Hünen in schwerer Rüstung vorzuziehen.
Es war früher Abend, die Sonne ging gerade unter. Generalleutnant Yulan, der die Angriffsgruppe persönlich anführen würde, hielt es für besser, so spät am Tag aufzubrechen. Ihr Angriff würde in der Dunkelheit beginnen, die ihn vor allen verbergen würde, die möglicherweise den Horizont von Ebou Dar beobachteten. Einst wäre diese Vorsichtsmaßnahme unnötig gewesen. Was spielte es schon für eine Rolle, wenn Menschen in Ebou Dar sahen, wie Hunderte To’raken gen Himmel stiegen? Neuigkeiten verbreiteten sich nie schneller, als ein Raken fliegen konnte.
Aber ihre Feinde konnten viel schneller reisen, als ihnen hätte möglich sein dürfen. Ob ihnen nun ein Ter’angreal, ein Gewebe oder was auch immer diese Macht verlieh, sie stellte eine reelle Gefahr dar. Es war besser, heimlich vorzugehen. Der Flug nach Tar Valon würde mehrere Tage in Anspruch nehmen.
Fortuona ging zum Nächsten in der Reihe der fünf. Das schwarze Haar der Frau war geflochten. Fortuona küsste sie auf die Stirn und sprach die rituellen Worte. Diese fünf waren Blutmesser. Der schwarze Steinring, den jeder von ihnen trug, war ein besonderes Ter’angreal, das ihnen Stärke und Schnelligkeit verleihen würde, außerdem hüllte er sie in Dunkelheit, was ihnen erlaubte, mit den Schatten zu verschmelzen.
Diese unglaublichen Fähigkeiten forderten jedoch ihren Tribut, denn die Ringe saugten das Leben aus ihren Trägern und töteten sie im Verlauf weniger Tage. Den Ring abzunehmen würde den Prozess etwas verlangsamen, aber sobald er aktiviert war - dazu musste man den Steinring tragen und mit einem Tropfen des eigenen Blutes benetzen -, war er nicht mehr
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