Die Macht des Lichts
Schwarze Ajah.«
»Was?«, rief Siuan. »Was soll denn dieser Unsinn?« Sie erstarrte. »Mutter«, fügte sie verspätet hinzu.
»Das ist kein Unsinn«, sagte Egwene. »Ich fürchte, es ist die Wahrheit. Es gibt noch andere, aber ihre Namen werde ich Euch später geben. Wir können sie noch nicht in Gewahrsam nehmen. Ich brauche Zeit, um zu planen und nachzudenken, vielleicht einen Abend. Wir werden bald zuschlagen. Aber bis dahin will ich, dass Sheriam und Moria beobachtet werden. Haltet Euch nicht allein in ihrer Nähe auf.«
Siuan schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie sicher seid Ihr Euch, Egwene?«
»Sicher genug«, erwiderte Egwene. »Behaltet sie im Auge, Siuan, und denkt darüber nach, was man unternehmen kann. Ich werde Eure Vorschläge hören wollen. Wir müssen eine Möglichkeit finden, sie unauffällig festzusetzen, und dann dem Saal beweisen, dass unser Tun gerechtfertigt war.«
»Das könnte gefährlich werden.« Siuan rieb sich das Kinn. »Ich hoffe, Ihr wisst, was Ihr da tut, Mutter.« Sie betonte das letzte Wort.
»Wenn ich mich irre, dann ist das meine Verantwortung«, sagte Egwene. »Aber das glaube ich nicht. Wie ich bereits sagte, es hat sich vieles getan.«
Siuan neigte den Kopf. »Seid Ihr noch immer eine Gefangene?«
»Nicht genau. Elaida hat …« Egwene hielt inne und runzelte die Stirn. Etwas stimmte nicht. »Egwene?«, fragte Siuan besorgt.
»Ich …«, setzte Egwene an und erschauderte dann. Etwas zog an ihrem Verstand und vernebelte ihn. Etwas … zog sie zurück. Tel’aran’rhiod verschwand, und Egwene schlug die Augen in ihrem Zimmer auf, wo Nicola hektisch an ihrem Arm rüttelte. »Mutter«, rief sie. »Mutter!«
Das Mädchen hatte eine blutige Schramme auf der Wange. Egwene setzte sich ruckartig auf, und in diesem Augenblick erbebte die ganze Weiße Burg wie durch eine Explosion. Nicola griff fester zu und schrie vor Angst auf.
»Was ist hier los?«, verlangte Egwene zu wissen.
»Es ist die Schattenbrut!«, rief Nicola. »Am Himmel, Schlangen, die Feuer und Gewebe der Einen Macht schleudern! Sie vernichten uns! Oh, Mutter. Tarmon Gai’don ist da!«
Einen Augenblick lang verspürte Egwene eine tiefe, beinahe unkontrollierbare Panik. Tarmon Gai’don! Die Letzte Schlacht!
In der Ferne hörte sie Schreie, gefolgt von den Rufen von Soldaten oder Behütern. Nein … nein, sie musste sich konzentrieren! Schlangen am Himmel. Schlangen, die die Eine Macht lenkten … oder mit Reitern, die die Eine Macht lenkten. Egwene warf die Decke zur Seite und sprang auf die Füße.
Das war nicht Tarmon Gai’don, aber es war beinahe genauso schlimm. Die Seanchaner griffen die Weiße Burg an, genau wie sie es Geträumt hatte.
Und sie konnte nicht einmal genug Macht lenken, um eine Kerze zu entzünden, geschweige denn, um sich zu wehren.
KAPITEL 15
Die Burg wankt
R uckartig erwachte Siuan. Etwas stimmte nicht. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Sie sprang förmlich von ihrer Pritsche. Unversehens kam eine dunkle Gestalt von der anderen Zeltseite heran, Stahl schabte gegen Stahl. Siuan erstarrte, umarmte reflexartig die Quelle und formte eine Lichtkugel.
Gareth Bryne stand aufmerksam da, die Klinge mit dem Reiher gezogen und bereit. Er trug nur seinen Lendenschurz, und sie musste sich davon abhalten, seinen muskulösen Körper anzustarren, der in viel besserer Form als bei den meisten nur halb so alten Männern war. »Was ist los?«, fragte er angespannt.
»Beim Licht!«, sagte Siuan. »Ihr schlaft mit Eurem Schwert?«
»Immer.«
» Egwene ist in Gefahr.«
»Was für eine Gefahr?«
»Das weiß ich nicht«, musste sie zugeben. »Wir trafen uns, und plötzlich verschwand sie. Ich glaube … ich glaube, Elaida hat sich entschieden, sie hinzurichten. Oder hat sie zumindest aus ihrer Zelle geholt und … ihr etwas angetan.«
Bryne fragte nicht nach Einzelheiten. Er schob das Schwert einfach wieder in die Scheide zurück, dann schlüpfte er in Hosen und Hemd. Siuan trug noch immer ihren nun zerknitterten blauen Rock mit der Bluse - es war zur Gewohnheit geworden, sich nach den Begegnungen mit Egwene auszuziehen, sobald Bryne schlief.
Eine Unruhe suchte sie heim, die sie nicht genau erklären konnte. Warum war sie nur so nervös? Es war nicht ungewöhnlich, dass Menschen geweckt wurden, während sie schliefen.
Aber die meisten Menschen waren auch nicht Egwene. Sie war eine Meisterin der Welt der Träume. Wenn sie etwas unerwartet geweckt hatte, hätte sie sich darum gekümmert und
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