Die Macht des Lichts
Hirtenjungen gehütet wurden.
Es waren noch ein paar Stunden Tageslicht übrig, also arbeiteten Männer an Geschäftsfassaden und Zäunen. Andere spazierten ohne jede Eile durch die Straßen. Die kleine Stadt vermittelte den entspannten Eindruck von einem Gemisch aus Fleiß und Faulheit.
Mat zügelte neben Talmanes und den Soldaten das Pferd. »Ein hübscher Anblick«, bemerkte Talmanes. »Ich glaubte schon, dass jede Stadt auf der Welt entweder zerfällt, mit Flüchtlingen überfüllt ist oder unter dem Daumen von Eroberern ächzt. Wenigstens scheint die hier nicht vor uns verschwinden zu wollen …«
»Das walte das Licht«, erwiderte Mat und dachte schaudernd an die Stadt in Altara, die vor ihren Augen verschwunden war. »Hoffen wir, dass sie nichts dagegen haben, sich mit ein paar Fremden abzugeben.« Er musterte die mitgekommenen Soldaten; es waren Rotwaffen, mit die besten, die er hatte.
Joline schnaubte, als sie auf ihrem Pferd vorbeiritt und Mat ganz bewusst keines Blickes würdigte. Sie und die anderen bewegten sich in einer engen Gruppe den Hügel hinunter.
»Das sieht nach einem Gasthaus aus«, meinte Thom und zeigte auf ein größeres Gebäude auf der östlichen Dorfseite. »Dort findet ihr mich.« Er winkte und trieb sein Pferd an, ritt mit wehendem Gauklerumhang los. Als Erster einzutreffen würde ihm die beste Möglichkeit für einen dramatischen Auftritt geben.
Mat warf Talmanes einen Blick zu, der nur mit den Schultern zuckte. Dann ritten sie den Hügel hinunter, eskortiert von den beiden Soldaten. Dank der Wegbiegung kamen sie von Südwesten. Die uralte Straße führte nordöstlich vom Dorf weiter. Es war schon seltsam, dass eine so große Straße an so einem Dorf vorbeiführte, selbst wenn die Straße alt und verfallen war. Meister Roidelle behauptete, sie würde direkt nach Andor führen. Sie war zu uneben, um als Hauptstraße benutzt zu werden, und sie kam nicht länger in die Nähe der wichtigen Metropolen, also war sie in Vergessenheit geraten. Mat segnete jedoch ihr Glück, dass sie sie gefunden hatten. Die Hauptwege aus Murandy hinaus wimmelten von Seanchanern.
Laut Roidelles Karten hatte sich Hinderstap auf die Produktion von Ziegenkäse und Hammelfleisch für die verschiedenen Städte der Region spezialisiert. Die Bewohner sollten an Fremde gewöhnt sein. Tatsächlich kamen mehrere Jungen von den Feldern gerannt, als sie Thom in seinem Gauklerumhang entdeckten. Er würde Aufsehen erregen, aber nicht mehr als gewöhnlich. An die Aes Sedai hingegen würde man sich lange erinnern.
Ach, was soll’s, dachte Mat, als er und Talmanes die von Wiesen gesäumte Straße hinunterritten. Er würde sich die Stimmung nicht vermiesen lassen; dieses Mal würde er sie sich nicht von den Aes Sedai vermiesen lassen!
Als sie das Dorf erreichten, hatte Thom bereits eine kleine Menge um sich geschart. Er stand auf seinem Sattel und jonglierte drei bunte Kugeln mit der rechten Hand, während er von seinen Reisen im Süden erzählte. Die Dorfbewohner trugen Westen und grüne Umhänge aus einem samtähnlichen Stoff. Die Kleidung sah sehr warm aus, auch wenn Mat bei näherem Hinsehen auffiel, dass vieles - Umhänge, Westen und Hosen - zerrissen und sorgfältig geflickt worden war.
Eine andere Gruppe, die hauptsächlich aus Frauen bestand, hatte sich um die Aes Sedai versammelt. Gut; Mat hatte schon befürchtet, dass die Dorfbewohner vor ihnen Angst haben würden. Einer von ihnen, der am Rand von Thoms Gruppe stand, musterte Mat und Talmanes abschätzend. Er war ein stämmiger Bursche mit dicken Armen und einem Leinenhemd, dessen Ärmel trotz der kühlen Frühlingsluft bis zu den Ellbogen aufgerollt waren. Das sich auf ihnen kräuselnde Haar passte zu seinem Bart und den Locken auf seinem Kopf.
»Ihr habt das Aussehen eines Lords«, sagte der Mann und trat an Mat heran.
»Er ist ein Pri…«, erwiderte Talmanes, bevor Mat ihm hastig das Wort abschnitt.
»Das mag schon sein«, sagte er und warf Talmanes einen Blick zu.
»Ich bin Barlden, der Bürgermeister«, sagte der Mann und verschränkte die Arme. »Ihr seid willkommen, um zu bleiben und Handel zu treiben. Aber Ihr solltet wissen, dass wir nicht viel erübrigen können.«
»Aber Ihr habt doch bestimmt etwas Käse«, meinte Talmanes. »Das ist es doch, was hier produziert wird, oder?«
»Alles, was nicht verdorben ist, brauchen wir für den Handel«, sagte Bürgermeister Barlden. »So ist das heute eben.« Er zögerte. »Aber solltet Ihr Stoff oder
Weitere Kostenlose Bücher