Die Macht des Lichts
und sich dem Pavillon näherte. Der schwarze Mantel wies an den Manschetten rote und goldene Stickereien auf - die fehlende Hand war ziemlich auffällig, wenn der Blick auf die Manschetten fiel -, aber davon abgesehen war seine Kleidung schmucklos. Als hätte er kein Bedürfnis, mit einer prächtigen Tracht von seinem Antlitz abzulenken.
Sein Haar hatte die Farbe eines dunklen Sonnenuntergangs, war von einem dunklen Rot. Seine Haltung hatte etwas Majestätisches - ein fester Gang, jeder Schritt voller Zuversicht, die Augen nach vorn gerichtet. Man hatte Tuon ausgebildet, auf diese Weise zu gehen, bei keinem Schritt zu zögern. Sie fragte sich, wer ihn ausgebildet hatte. Vermutlich hatte er die besten Lehrer gehabt, die ihn in den Verhaltensweisen von Königen und Anführern unterwiesen hatten. Doch Berichten zufolge war er als Bauer in einem Dorf auf dem Land aufgewachsen. Vielleicht eine Geschichte, die man sorgfältig verbreitet hatte, damit er in den Augen des Volkes an Glaubwürdigkeit gewann?
Er ging auf den Pavillon zu, eine Marath’damane an seiner linken Seite. Die Frau trug ein Kleid in der Farbe eines wolkenlosen Himmels, dessen Besatz an weiße Wolken erinnerte. Das dunkle Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten und sich mit knallbuntem Schmuck ausstaffiert. Etwas schien sie zu stören, denn ihre Stirn lag in Falten gelegt, und ihre Lippen bildeten einen schmalen Strich. Ihre Gegenwart ließ Tuon erschaudern. Nach ihrer Reise mit Matrim hätte man denken sollen, dass sie sich in der Zwischenzeit an Marath’damane gewöhnt hatte. Aber das war nicht der Fall. Sie waren unnatürlich. Gefährlich. Tuon konnte sich genauso wenig in Gegenwart einer nicht angeleinten Damane entspannen, wie sie eine Graszahnschlange um ihren Knöchel hätte tolerieren können, die über ihre Haut züngelte.
Aber wenn die Marath’damane schon für Unbehagen sorgte, dann galt das erst recht für die beiden Männer, die zur Rechten des Drachen gingen. Der eine war kaum älter als ein Jüngling und trug die Haare zu vielen Zöpfen gebunden, an deren Enden Glöckchen bimmelten. Der andere war ein älterer Mann mit weißem Haar und gebräuntem Antlitz. Trotz ihres unterschiedlichen Alters bewegten sich beide mit dem lässigen Gang von Männern, die schon viele Schlachten erlebt hatten. Und beide trugen schwarze Mäntel, an deren hohen Kragen Anstecknadeln funkelten. Asha’man, so nannte man sie. Männer, die die Macht lenken konnten. Ungeheuer, die man am besten schnell tötete. In Seanchan hatte es vereinzelt Leute gegeben, die in ihrem Verlangen nach einem unerwarteten Vorteil versucht hatten, diese Tsorov’ande Doon auszubilden, diese Wirbelstürme mit schwarzen Seelen. Diese Narren waren schnell gestorben, oftmals von den Werkzeugen vernichtet worden, die sie hatten kontrollieren wollen.
Tuon stählte sich. Die Anspannung von Karede und den Totenwachen um sie herum stieg. Es war kaum zu bemerken - Fäuste ballten sich, Atemzüge verlangsamten sich. Tuon wandte sich ihnen nicht zu, aber sie gab Selucia ein verstohlenes Zeichen.
»Ihr werdet eure Ruhe behalten«, sagte die Stimme leise zu den Männern.
Und das würden sie - sie waren die Totenwache. Tuon machte die Bemerkung nur ungern, da es ihren Blick senken würde. Aber sie duldete keinen unglücklichen Zwischenfall. Die Begegnung mit dem Wiedergeborenen Drachen würde gefährlich sein. Daran ließ sich nichts ändern. Selbst mit zwanzig Damane und Sul’dam an jeder Seite des Pavillons. Selbst mit Karede hinter sich und Hauptmann Musenge und der Streitmacht aus Bogenschützen, die im Versteck eines Daches gerade noch in Schussreichweite alles beobachteten.
Selbst mit Selucia zu ihrer Rechten, die angespannt und bereit war, sich wie ein Jagwin von einem hohen Felsen auf alles zu stürzen. Tuon war trotz allem ohne Deckung. Der Wiedergeborene Drache war eine Feuersbrunst, die sich aus unerklärlicher Weise in einem Haus entzündet hatte. Man konnte nicht verhindern, dass sie das Zimmer verwüstete. Man konnte nur hoffen, das Haus zu retten.
Er ging auf direktem Weg zu dem ihr gegenüberstehenden Stuhl und setzte sich, stellte dabei nicht einmal infrage, dass sie ihn für einen Gleichgestellten hielt. Sie wusste, dass sich die anderen darüber wunderten, dass sie noch immer die Asche der Trauer trug, warum sie sich noch immer nicht zur Kaiserin ausgerufen hatte. Die Trauerzeit war vorbei, aber Tuon hatte ihren Thron noch nicht beansprucht.
Der Grund dafür war dieser
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