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Die Macht des Schmetterlings

Die Macht des Schmetterlings

Titel: Die Macht des Schmetterlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Dickson
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Papier wischte sie die schlimmsten Flecken von ihrer Uniform und fuhr sich mit einer Bürste durch die Haare.
    »Okay.« Tina holte tief Atem und versuchte bewusst, sich zu beruhigen. »Du machst das gut. Alles wird gut.« Sie hielt inne, und ihr wurde kalt, als sie bemerkte, dass sie dieselben Worte und denselben Tonfall benutzt hatte, als sie vorhin versucht hatte, den verwundeten Hirsch zu beruhigen. Mein Gott, was für ein verrückter Tag, dachte sie, was zur Hölle ist eigentlich los?

43
    Galopprennbahn von Newbury, Berkshire, Vereinigtes Königreich
    Keiron stieg auf Mazarine Town, und sie führten sie im Schritt auf die Trainingsstrecke, die sich westlich von der Haupttribüne befand.
    »Lass sie ordentlich galoppieren«, wies ihr Besitzer ihn an. »Aber nicht so, dass sie im Rennen total erschöpft ist.«
    Keiron tat wie ihm geheißen, ließ die Stute sich ein paar Minuten lang aufwärmen, dann legte er für zwei Furlongs einen Galopp ein   – nicht in Höchstgeschwindigkeit, aber doch schnell genug, um ihre Gangart zu prüfen.
    »Was meinst du, Howard?«, fragte Sampson den Tierarzt, als das Pferd an ihnen vorüberflog.
    »Neunundneunzig Prozent hat sie drauf«, erklärte ihm der Tierarzt. »Aber ich könnte immer noch nicht schwören, dass sie völlig in Ordnung ist. Wenn du dir mal ansiehst, wie sie das linke Bein hebt, dann sieht das einfach nicht ganz in Ordnung aus.«
    »Die Sehne?«
    »Vielleicht. Aber wenn es eine Zerrung ist, kann es sich legen, wenn sie sich warmgelaufen hat.«
    »Und wenn es ein Riss ist?«
    »Das ist unmöglich zu sagen. Nicht ohne MRT.«
    »Bring sie hier rüber«, rief der Eigentümer Keiron zu.
    Der Tierarzt fuhr noch einmal mit der Hand über das Bein des Pferdes. »Da drinnen ist eine winzig kleine Schwellung zu ertasten«, sagte er. »Aber wenn es eine gezerrte Sehne ist, dann macht sie ihr bemerkenswert wenig Probleme.«
    »Insgesamt scheint sie mir ziemlich gesund«, fügte Sampson hinzu. »Ihre Augen glänzen, und sie wirkt wild aufs Rennen.«
    »Sie wird’s schaffen«, entschied der Tierarzt. »Es bleibt ein Risiko von einem Prozent, aber   …«
    Mike Sampson gab dem Pferd einen Klaps auf die Flanke. »Ein Prozent? Zur Hölle, wir würden dieses Spiel gar nicht spielen, wenn wir nicht ab und zu ein kleines Risiko ertragen könnten. Wir versuchen es. Beweg dich in den Wiegeraum, Keiron, wir lassen sie das Rennen laufen.«
    Keiron stieg ab, und der Besitzer half ihm, den Sattelgurt zu lockern. Dann ging der Jockey mit dem Sattel in der Hand hinüber zum Wiegeraum, froh, dass das Rennen nicht abgesagt war.

44
    Chinchewe, Malawi, Ostafrika
    Bakilis Bruder Kamuzu war müde. Er hatte die gesamte Nacht damit zugebracht, an dem Feld Wache zu stehen, und er brannte darauf, dass sein jüngerer Bruder kam und ihn ablöste. Von all den Pflichten, die die beiden Brüder unter sich aufteilten, war die Notwendigkeit, die wenigen Maispflanzen, die ihnen geblieben waren, vor Dieben zu schützen, zweifellos die wichtigste   … und zugleich die anstrengendste.
    Seit die Hungersnot zugeschlagen hatte, hatten sich die Fälle von Gelegenheitsdiebstahl enorm gesteigert, und schon ein Augenblick der Unaufmerksamkeit konnte die Familie ihre magere Ernte kosten. Zudem gab es jede Menge räuberische Tiere, von denen die plündernden Pavianhorden, die in den felsigen Klippen hausten, die schlimmsten waren. Die Hungersnot hatte auch die Tiere hart getroffen, und als sie genau wie die Bewohner der umliegenden Dörfer zu hungern begonnen hatten, waren sie kühner geworden.
    Mit jedem Tag waren ihre Angriffe auf die Felder dreister und verzweifelter geworden.
    In der Vergangenheit hatte Kamuzu eine Herde Paviane leichtverscheuchen können, indem er brüllte und mit seinem Stock wedelte. Sobald er das Krachen brechender Stauden vernommen hatte, war Kamuzu zwischen das hoch stehende Getreide gerannt, hatte geschrien, gepfiffen und mit seinem Stock auf den Boden geschlagen. Die Paviane hatten zurückgeschrien, waren in alle Richtungen geflohen und aus dem Feld verschwunden, um in einiger Entfernung sitzen zu bleiben und zu schnattern.
    Einer der Paviane hatte Kamuzu besonderen Grund zur Sorge gegeben   – er hatte die Zähne gefletscht und Kamuzu extrem nahe an sich herankommen lassen, ehe er die gestohlenen Maiskolben widerwillig fallen ließ und floh. Es war beinahe, als hätte der Hunger das Tier seiner natürlichen Angst vor den Menschen beraubt, dachte Kamuzu, und noch dazu war es das

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