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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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umklammere mit den Händen den Rand meines Schreibtischs. »Mrs. Marx, Sie haben doch einen Anwalt, der Sie bei Ihrer Scheidung vertritt, und ich rufe ihn gern an. Das Jugendamt ermittelt weiter, und vielleicht erreichen die ja, daß das Besuchsrecht eingeschränkt oder nur unter Aufsicht ausgeübt werden darf … aber Tatsache ist, daß wir die Sache vorläufig nicht strafrechtlich verfolgen können. Vielleicht, wenn Rachel älter ist.«
    Â»Wenn sie älter ist«, flüstert Miriam, »hat er ihr das doch längst schon tausend weitere Male angetan.«
    Ich erwidere nichts, weil sie höchstwahrscheinlich recht hat.
    Miriam bricht vor mir zusammen. Ich hab das x-mal erlebt, starke Mütter, die einfach in sich zusammensinken. Sie schaukelt vor und zurück, die Arme so fest um den Oberkörper geschlungen, daß sie sich krümmt. »Mrs. Marx … wenn ich etwas für Sie tun kann …«
    Â»Was würden Sie an meiner Stelle tun?«
    Ihre Stimme steigt hoch wie eine Schlange.
    Â»Nur unter uns gesagt«, erwidere ich ruhig. »Ich würde Rachel nehmen und abhauen.«
    Minuten später sehe ich von meinem Bürofenster aus, wie Miriam Marx etwas in ihrer Handtasche sucht. Ihre Autoschlüssel, denke ich. Und möglicherweise auch ihre Entschlußkraft.

    Es gibt viele Dinge, die Patrick an Nina liebt, aber am schönsten findet er es, wie sie einen Raum betritt. Bühnenpräsenz , so nannte seine Mutter das, wenn Nina in die Küche der Ducharmes getobt kam, sich ein Schokoplätzchen aus der Keksdose angelte und dann innehielt, als wollte sie allen anderen Gelegenheit geben, tief Luft zu holen. Eines weiß Patrick genau, er kann der Tür den Rücken zuwenden und dennoch spüren, wenn sie hereinkommt, diese prickelnde Energie in seinem Nacken, diese Aufmerksamkeit, wenn sich alle Augen auf sie richten.
    Heute sitzt er an der leeren Bar. Das »Tequila Mockingbird« ist eine Kneipe für Cops, und das bedeutet, daß es hier erst gegen Abend richtig voll wird. Tatsächlich hat Patrick sich schon manchmal gefragt, ob der Laden nur deshalb früher öffnet, damit er und Nina hier jeden Montag zu Mittag essen können. Er sieht auf die Uhr, aber er weiß, daß er zu früh dran ist – wie immer. Patrick will den Augenblick nicht verpassen, wenn sie hereinkommt.
    Stuyvesant, der Barkeeper, nimmt eine Tarotkarte vom Stapel. Anscheinend spielt er Solitaire. Patrick schüttelt den Kopf. »Dafür sind die eigentlich nicht gedacht, weißt du.«
    Â»Tja, aber ich weiß nicht, was ich sonst damit machen soll.« Er sortiert sie nach Farben: Stäbe, Pokale, Schwerter, Münzen. »Die hat jemand auf der Damentoilette vergessen.« Der Barkeeper drückt seine Zigarette aus und folgt Patricks Blick zur Tür. »Meine Güte«, sagt er. »Wann sagst du es ihr endlich?«
    Â»Was soll ich ihr sagen?« fragt Patrick, aber in diesem Augenblick kommt Nina durch die Tür. Die Luft im Raum surrt wie ein Feld voller Grillen, und Patrick hat das Gefühl, als steige er auf wie ein Ballon, noch ehe er merkt, daß er von seinem Hocker aufgestanden ist.
    Â»Immer ein Gentleman«, sagt Nina und wirft ihre große schwarze Lederhandtasche unter die Bar.
    Â»Und noch dazu im Dienste der Öffentlichkeit.« Patrick lächelt sie an.
    Sie ist nicht mehr das Mädchen von nebenan, schon seit Jahren nicht mehr. Damals hatte sie Sommersprossen und trug Jeans mit Löchern an den Knien und einen Pferdeschwanz. Jetzt trägt sie Seidenstrumpfhosen und maßgeschneiderte Kostüme, und seit fünf Jahren hat sie die gleiche mittellange Bobfrisur. Aber wenn Patrick ihr nahe genug kommt, riecht sie für ihn noch immer nach Kindheit.
    Nina mustert seine Uniform, während Stuyvesant ihr eine Tasse Kaffee hinstellt. »Hattest du keine sauberen Klamotten mehr?«
    Â»Nein, ich war heute morgen in einer Grundschule und mußte den Kindern etwas über Sicherheit zu Halloween erzählen. Der Boß hat darauf bestanden, daß ich mich verkleide.« Er gibt ihr zwei Zuckerstückchen, bevor sie danach fragt. »Wie war deine Anhörung?«
    Â»Die Zeugin wurde für nicht verhandlungsfähig erklärt.« Sie sagt das, ohne daß ihr Gesicht auch nur die geringste Emotion verrät, aber Patrick kennt sie gut genug, um zu wissen, wie sehr ihr das zu schaffen macht. Nina rührt in

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