Die Macht
Gefühl, alles erreichen zu können, was er sich vornahm. Wenn er nur auf Kurs blieb, würde sich schon ein Weg finden, und Präsident Hayes würde letztlich seiner Linie folgen müssen.
Die Tür zum Dampfbad ging auf, und die Silhouette eines groß gewachsenen Mannes in einem weißen Handtuch tauchte auf. Senator Hank Clark war nicht ganz so freizügig wie sein Kollege und hatte sich das Handtuch um die Hüfte geschlungen. Als Clark eintrat, sah er trotz Dunstschwaden sofort Rudins kantiges Profil.
»Guten Morgen, Albert«, sagte er. Statt sich zu setzen, suchte Clark zuerst einmal das Fläschchen mit dem Eukalyptusöl. Er fand es auf der obersten Bank, schüttelte es und versprühte etwas von dem Öl.
»Nicht zu viel von dem Zeug«, brummte Rudin.
Rudin murmelte noch etwas Unverständliches vor sich hin, doch Clark kümmerte sich nicht weiter da–rum. Albert Rudin war ein chronischer Nörgler, und Clark wusste, dass man ihn am besten nörgeln ließ. Der Senator setzte sich Rudin gegenüber auf die unterste Bank, lehnte sich zurück und streckte genüsslich die Arme aus. Er stöhnte zufrieden und atmete die Eukalyptusdämpfe ein, ehe er sich an Rudin wandte. »Was haben Sie denn heute wieder auf dem Herzen, Albert, und warum treffen wir uns ausgerechnet hier im Dampfbad? Sie werden sich doch nicht etwa noch als Homosexueller outen?«, fragte Clark und hatte Mühe, sich das Lachen zu verbeißen. Die Bemerkung war ihm auf dem Weg in den Club eingefallen, und er konnte sie sich nicht verkneifen, weil er wusste, dass er Rudin damit über die Maßen ärgerte. Der Mann hatte keinerlei Sinn für Humor.
»Ich finde das überhaupt nicht komisch«, sagte Rudin mit säuerlicher Miene.
»Tut mir Leid, Albert«, sagte Clark, der immer noch Mühe hatte, ernst zu bleiben. »Ich konnte einfach nicht widerstehen. Schließlich ist es Ihnen noch nie eingefallen, sich ausgerechnet im Dampfbad mit mir zu treffen.«
»Sie müssen entschuldigen«, räumte Rudin schließlich ein, »aber ich bin gerade ein bisschen paranoid.«
»Warum denn das?«, wollte Clark wissen.
»Sie wissen genau, warum«, erwiderte Rudin vorwurfsvoll. Er überlegte, ob er dem Senator seinen Verdacht, was Midletons Tod betraf, mitteilen sollte. Schließlich beschloss er, zunächst ein wenig vorzufühlen. »Ich habe Sie neulich im Fernsehen gesehen, in der Übertragung aus dem Weißen Haus. Wie konnten Sie sich nur neben diesen Hochstapler setzen?«
»Welchen Hochstapler meinen Sie? Es gibt so verdammt viele hier in der Stadt.«
»Den größten von allen. Hayes!«, zischte Rudin angewidert.
Clark ließ den Kopf zurücksinken und blickte durch den Dampf zur Decke hinauf. »Ach kommen Sie, Albert. Es gibt noch viel größere Hochstapler in Washington als Robert Hayes.«
»Ich kenne keinen.«
Clark konnte nur wortlos den Kopf schütteln.
»Wie, zum Teufel, konnten Sie sich einfach so neben ihn setzen und ihm zustimmen, als er die Nominierung von Irene Kennedy als Direktorin der CIA verkündete?«, fragte Rudin empört.
»Albert, wie oft soll ich es Ihnen noch erklären, dass Dr. Kennedy für mich keine schlechte Kandidatin ist?«
»O mein Gott! Ich kann’s nicht glauben, dass Sie das wirklich ernst meinen. Was hat Ihnen Hayes denn dafür geboten?«
»Es ist gar nicht schön, was Sie da andeuten, Albert. Er hat mir nichts geboten. Ich glaube, Sie brauchen eine kleine Auffrischung in Sachen Staatsbürgerkunde.«
»Was soll denn das nun wieder heißen?«
»Das sollten Sie eigentlich selbst wissen«, sagte Clark mit einem gewissen Nachdruck, um Rudin zu verstehen zu geben, dass er es nicht zu weit treiben sollte. »Der Präsident hat das Recht, einen Nachfolger zu ernennen. So steht es in der Verfassung.«
»Das weiß ich auch«, versetzte Rudin. »Ich habe die Verfassung öfter gelesen als Sie. Das fällt unter die Gewaltenteilung. Der Präsident hat das Recht, den Nachfolger zu ernennen, und der Senat muss ihn bestätigen. Sie haben also das Recht – nein, die Pflicht – Irene Kennedys Nominierung zu verhindern.«
»Wir im Senat halten uns an etwas, das Sie und Ihre Freunde im Repräsentantenhaus nicht kennen – nämlich an gewisse Spielregeln eines geordneten Ablaufs. Wenn der Präsident jemanden ernennt, dann bestätigen wir die Ernennung – außer der Betreffende hat eine Leiche im Keller.«
»Dann sollten Sie sich vielleicht mal in Kennedys Keller umsehen, weil es da nämlich vor Leichen nur so wimmelt.«
»Und was für Beweise haben
Weitere Kostenlose Bücher