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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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mich nur noch, bloß nicht den Eindruck zu machen, als würde 311
    ich auf dem Zahnfleisch kriechen. Du mußt unbedingt stark wirken. Ich suchte den Augenkontakt mit den
    Menschen und lächelte vor mich hin. Einer der
    Wachleute nahm mich ins Visier und nutzte die Chance, sich als Held aufzuspielen, indem er mir einen Schwinger und einen Haken verpaßte. Ich blickte Dinger an, und wir grinsten wie Honigkuchenpferde. Wenn unsere Hände
    nicht gefesselt gewesen wären, hätten wir gewinkt wie die Queen auf Staatsbesuch.
    Das Grinsen blieb nicht ohne Wirkung. Manche
    nahmen es gelassen hin, die meisten jedoch nicht. Sie gerieten in Rage. Es war taktisch unklug von uns, aber es mußte sein. Die Wachen schlugen uns, um uns wieder gefügig zu machen, damit sie gut dastanden. Aber egal, ich fühlte mich so besser. Eine große weiße
    amerikanische Limousine kam von links durch die
    Menge. Zwei Offiziere in dem Wagen blickten hoch,
    zeigten auf uns und lachten. Sie waren wegen uns
    ohnehin bester Laune. Ich schenkte ihnen mein breites Präsidentenlächeln. Es gefiel ihnen, doch das machte die Soldaten erst recht sauer, und sie schlugen erneut auf uns ein.
    Wir bezahlten für unsere Dreistigkeit, als wir das andere Ende der Stadt erreichten. Große
    Menschenscharen warteten auf uns und versuchten, die Absperrungen zu durchbrechen; sie stritten mit den Soldaten, weil sie über uns herfallen wollten. Sie hüpften auf und ab, und es war unübersehbar, daß sie über kurz oder lang den Kordon durchbrechen würden, wenn die Soldaten sie nicht sogar aus freien Stücken durchließen.
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    Meine einzige Sorge war, daß ich erschossen wurde und Dinger nicht.
    Ich wurde vom Wagen gezerrt. Ich hielt verzweifelt nach Dinger Ausschau. Ich brauchte ihn. Er war meine einzige Verbindung zur Realität.
    Dann sah ich, daß man mit ihm das gleiche machte,
    und ich dachte: Irgendwo hier wird es passieren.
    Daß ich sterben würde, war für mich kein allzu großes Problem. War es nie gewesen; es sollte nur kurz und schmerzlos über die Bühne gehen, wie bei Mark.
    Ob Jilly es je erfahren würde? Wußte sie überhaupt, daß ich vermißt wurde? In materieller Hinsicht hatte ich alles für sie geregelt; da hätte ich nicht mehr tun können.
    In emotionaler Hinsicht allerdings doch; ich hätte gern Gelegenheit gehabt, ihr Lebewohl zu sagen.
    Was für ein Abgang.

    Der Gestank in der Stadt war unerträglich. Es roch nach Essen, alter Feuerasche und abgestandener Pisse,
    vermischt mit faulendem Abfall und Dieselabgasen.
    Die Stadt war eine merkwürdige Mischung aus
    mittelalterlich und modern. Die Hauptstraße war frisch geteert; ansonsten gab es nur staubige Sandwege. Da waren Landrover unterwegs, die aussahen, als kämen sie geradewegs aus dem Ausstellungsraum eines
    Autohändlers, und Soldaten mit glänzenden Stiefeln und adretten Uniformen im westlichen Stil, während die Menschen in der Menge schmutzige Kaftane und
    Sandalen trugen oder barfuß waren. Einmal wurde ich zu Boden geschlagen und sah direkt neben meinem Auge
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    eine große Zehe, die gebogen war wie eine Wurst und so dreckig, als wäre sie noch nie gewaschen worden. Es gab makellos gepflegte Offiziere und gesund aussehende junge Soldaten und daneben Einheimische mit nur drei Zähnen im Mund, und selbst die waren schwarz und
    verfault. Und dunkelhäutige Araber mit vernarbten
    Gesichtern und weißen schorfigen Knien und Ellbogen, die kaum gewaschen oder eingecremt worden waren, mit staubigen, verfilzten, zusammengedrehten Haarsträhnen.
    Die Häuser waren aus Lehm und Stein, quadratisch mit flachen Dächern. Sie waren bestimmt ein paar hundert Jahre alt, und an den Seiten hingen die neuesten
    Werbeplakate für Pepsi Cola. Alte abgemagerte, räudige Hunde schlichen im Schatten herum und suchten nach Eßbarem und pinkelten. Überall lagen haufenweise
    rostige Blechdosen.
    In der Mitte der Hauptstraße verlief ein Grünstreifen, und in seiner Mitte, uns direkt gegenüber, lag ein Kinderspielplatz voller Stahlrohrgerüste und Schaukeln in verblaßtem Blau und Gelb. So etwas ist in den
    Hochhaussiedlungen in Großbritannien ein normaler
    Anblick, doch hier in dieser Welt wirkte es fehl am Platze und bizarr. Sie führten seit Jahren Krieg, und wohin man auch blickte, sah man Armut, Dreck und Not.
    Wir standen jetzt am Straßenrand und warteten auf den Tod. Die Soldaten packten uns, doch meine Beine waren kraftlos, und ich stolperte. Sie mußten mich zu meinem Publikum schleifen. Sie

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