Die Männer von Bravo Two Zero
ausstrecken zu können, wog die Unbehaglichkeit, im kalten Schlamm zu liegen, bei! weitem auf.
Ich holte die Kartenhülle aus der Tasche an meinem Bein und versuchte, sie als eine Art Isolierung zu verwenden, doch ohne Erfolg. Ich dachte an Essen. Vielleicht würde ich den Proviant später brauchen, aber dann war ich möglicherweise in Gefangenschaft. Es war besser, ich stopfte ihn mir jetzt rein, bevor man mir mein Essen wegnahm. Ich holte meinen letzten Beutel - Zwiebelsteak - aus der Gürteltasche und riß ihn auf. Ich aß mit den Fingern und leckte den letzten Rest von dem schleimigen Zeug aus der Verpackung. Zum Nachtisch ging ich mit den Lippen an die Wasseroberfläche und sog ein paarmal etwas Wasser ein. Ich breitete die Karte über mich, um sie mir anzusehen, sobald es hell genug war, legte mich auf den Rücken und wartete.
Als es hell wurde, hörte ich in der Ferne Lastwagen und vereinzeltes Brüllen und Rufen, aber es war so weit weg, daß es mich nicht beunruhigte. Es war beinahe friedlich. Ich fing an zu zittern, und das Schütteln wurde so stark, daß ich es nicht mehr kontrollieren konnte. Meine Zähne schlugen aufeinander. Ich atmete tief durch und spannte alle Muskeln so fest ich konnte an. So blieb ich zwei Stunden liegen.
Ich hielt das Kampfmesser in der Hand, und die Uhr lag auf meiner Brust, so daß ich nicht dauernd die Hände bewegen mußte. Ich studierte die Karte, um ungefähr bestimmen zu können, wo ich war. Falls ich weglaufen mußte, wollte ich nicht erst noch die Karte lesen müssen. Ich wollte wissen, wenn ich mein Versteck verließ, daß links von mir die Siedlung lag, rechts von mir der Euphrat, und wie viele Kilometer ich bis zur Grenze laufen mußte. Ich wollte möglichst viele Informationen in meinem Kopf speichern.
Ich malte mir die verschiedensten Szenarien aus, reine Phantastereien. Vielleicht war ich schon in Syrien? Ich wußte, daß ich die Grenze noch nicht überschritten hatte: Die beiden Länder befanden sich im Krieg, es mußte irgendwo eine massive Grenze geben, aber das hielt mich nicht davon ab, weiter Tagträumen nachzuhängen.
Es muß ungefähr acht Uhr gewesen sein, als ich aus der Richtung, wo die Stadt lag, das Trappeln von Ziegenhufen hörte. Ich war augenblicklich angespannt. Mit Ziegen hatten wir in den letzten Tagen weiß Gott kein Glück gehabt.
Ich hörte den Ziegenhirten erst, als er schon auf der Metallplatte war. Ich holte ganz tief Luft und hielt den Atem an. Ich reckte den Hals und sah die Spitzen von zwei Sandalen und große gespreizte Zehen. Ein Fuß platschte in den Schlamm. Ich umklammerte mein Kampfmesser. Ich würde erst reagieren, wenn er den Kopf nach unten streckte und mich sah, obwohl ich nicht wußte, was ich in dem Fall tun würde. Sollte ich ihm das Messer ins Gesicht rammen? Und was, wenn ich loslief? An den großen Spreizfüßen konnte ich erkennen, daß er kein Soldat war, also war er hoffentlich nicht bewaffnet.
Er bückte sich, um eine kleine Pappschachtel aufzuheben, die mir im Graben nicht aufgefallen war. Es war eine weggeworfene Munitionsschachtel für 7.62er- Patronen für Kalaschnikows. Er verschwand aus meinem Gesichtsfeld. Die Schachtel landete wieder im Wasser. Offenbar hatte er sie sich angesehen und für wertlos befunden.
Ich lag da und lauschte auf die Geräusche. Ich lugte aus meinem Grab hervor und sah, daß es ein frischer Wintermorgen war, ohne eine Wolke am Himmel. Es war eine ländliche Gegend, die nichts Wüstenähnliches hatte. Es fehlten nur noch die Kühe, und es hätten die Felder um Hereford sein können. Dort gibt es einen kleinen Pfad, der am Ufer des Wye entlangläuft, und von einer bestimmten Stelle aus sieht man auf der anderen Seite des Flusses einen Bauernhof mit vielen Kühen. Kate und ich sind gern dort hingegangen. Die Landschaft, die ich jetzt vor mir sah, hatte eigentlich keine Ähnlichkeit damit, aber in meiner Vorstellung hörte ich das Muhen von Kühen und Kates Lachen. Die Sonne war herausgekommen, aber ihre warmen Strahlen konnten mich nicht erreichen. In meinem dunklen Versteck kam ich mir vor wie eine Eidechse. Es wäre so schön gewesen, mich draußen von der Sonne wärmen zu lassen.
In der Ferne hörte ich Fahrzeuge, die mit quietschendem, metallischem Klirren vorbeirollten. Kinder und ältere Leute brüllten und kreischten. Ich hätte für mein Leben gern gewußt, was da draußen vor sich ging. Suchten sie nach mir? Oder gingen sie einfach ihren normalen Alltagsgeschäften nach?
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