Die Maetresse des Kaisers
sie die Lampe kaum halten konnte. Das Blut von ihren Fingern hatte sie an ihrem Umhang abgewischt, doch sie sah, dass sie in den Fleck getreten war und überall im Zimmer blutige Abdrücke hinterlassen hatte. Von beiden Kindern fehlte jede Spur. Auch den Erzieher und die Kinderfrau hatte sie nicht gefunden.
Bianca rannte nur mit Hemd und Umhang bekleidet zurück in ihre privaten Wohnräume. Vielleicht war Friedrich zurückgekommen, vielleicht waren die Kinder sogar bei ihm. Aber dann ärgerte sie sich über ihre Naivität, denn der Blutfleck widersprach jeder harmlosen Erklärung. Nein, Konstanze und Konrad waren ganz sicher nicht bei ihrem Vater. Es musste etwas Furchtbares geschehen sein.
Hastig riss sie ein Kleid aus dem Schrank, warf es über und lief schon wieder hinaus auf den Gang, der zum Treppenhaus führte, das zwei Stockwerke tiefer in eine Halle mündete, und die wiederum grenzte an den Thronsaal.
Sie vermutete den Kaiser dort im Gespräch mit seinem Gelehrtenkreis, und sie wusste, dass er Störungen hasste, aber dies war mehr als ein Notfall. Sie stürzte an den verdutzten Wachen vorbei, warf sich mit aller Kraft gegen die große schwere Tür und stolperte in den Saal. Friedrichs Hunde, die ihn auf der Jagd begleiteten und abends zu seinen Füßen liegen durften, sprangen knurrend auf. Die Männer, die mit dem Kaiser an einer Stirnseite des mächtigen Eichentisches saßen, schauten sie überrascht an, und Friedrich warf ihr einen verärgerten Blick zu. Dann aber sah er die Angst in ihren Augen und stand auf.
»Bianca, was ist mit dir?«
»Die Kinder sind fort. In ihrem Zimmer ist Blut.«
»Durchsucht den ganzen Palast. Und schickt meinen Leibarzt zu mir«, rief er den Wachen zu und folgte Bianca.
Als sie zum zweiten Mal an diesem Abend das Zimmer von Konrad und Konstanze betrat, war sie davon überzeugt, dass die Kinder unschuldige Opfer eines Verbrechens geworden waren, das in seiner ganzen Härte andere treffen sollte – den Kaiser oder sie selbst.
Es war nicht nur überaus gefährlich, einen vierjährigen Jungen und ein zweijähriges Mädchen aus einem belebten Palast zu entführen, es war auch mit einer minutiösen Vorbereitung verbunden, und diese Mühen nahm nur ein Mensch auf sich, der von unversöhnlichem Hass getrieben wurde.
Enzio?, fragte sie sich, aber sie verwarf den Gedanken wieder. Ihr Bruder Manfred war in die Grafschaft Tuszien gezogen, Enzio würde genug mit der Verteidigung seiner Besitztümer zu tun haben. Doch außer dem Grafen Pucci fiel ihr niemand ein, der sie so sehr hasste, dass er ein derartiges Risiko eingehen würde.
Sie hörte Friedrich mit harter Stimme Befehle erteilen und dachte wieder an ihren seltsamen Traum, der ihr inzwischen wie eine Vision erschien. Hatte ihr der Himmel oder die Hölle diese Bilder geschickt?
Sie zwang sich, nach den Gesetzen der Logik zu denken. Der Verlust der Kinder würde sowohl sie als auch Friedrich bis ins Mark treffen. Darüber hinaus war Konrad nach dem Erbe seiner Mutter der künftige König von Jerusalem und möglicherweise auch Herrscher in Deutschland. Das konnte jedoch kaum jemand wissen, denn diesen Gedanken hatte Friedrich nur mit ihr und allenfalls Karim geteilt. Aber Konrad hatte einen Großvater, der seinen ehemaligen Schwiegersohn mehr verabscheute als den Teufel selbst und zugleich über genügend Geld und Macht verfügte, um die richtigen Leute für den Raub der Kinder zu finden.
Wenn aber Johann von Brienne seinen eigenen Enkel entführen ließ, dann war es höchst unwahrscheinlich, dass sich die Kinder noch hier im Palast befanden. Jeder Mensch, der seine Sinne beisammen hatte, folgerte sie, würde versuchen mit seiner wertvollen Beute den Palast und auch die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Es war reine Zeitverschwendung, die unzähligen Kammern, Säle, Keller und Verliese noch länger zu durchsuchen. Die Kinder waren längst fort.
Foggia hatte eine bewehrte Stadtmauer und keinen Hafen. Alle Zugänge konnten daher leicht kontrolliert werden. Das Meer war zwar nicht weit entfernt, doch ein Schiff konnte nicht direkt an die Küste gelangen und musste draußen im offenen Wasser ankern.
»Sie sind nicht mehr im Palast«, sagte Bianca.
»Was?« Friedrich, der im Raum immer noch nach einem Hinweis auf die Täter suchte, drehte sich abrupt um. »Was sagst du da? Woher weißt du das?«
»Lass die Stadttore schließen, sonst sehen wir sie nie mehr wieder.«
Bianca begann zu schluchzen und griff nach
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