Die Maetresse des Kaisers
in hoher Dosis hatten Enzio abhängig gemacht von der Wirkung des Schlafmohns und seine Sinne auf Dauer vernebelt. Manfred erkannte auf den ersten Blick, dass er Enzio weder zu einem Zweikampf fordern noch ihn in einer anderen Form für seine Taten büßen lassen konnte. Er hätte ihn vor ein kaiserliches Gericht zerren können, doch er vermutete, dass Enzio nicht einmal den Transport dorthin überleben würde.
Graf Pucci hatte sich selbst zerstört, und wenn Manfred ehrlich war, war ihm dieser Ausgang seiner unglückseligen Bekanntschaft mit Enzio immer noch am liebsten. Der Mann hatte ihn ja nicht einmal wiedererkannt, als er mit seinen Begleitern vor ihm stand. Enzio war nicht in der Lage gewesen, sich auf den Beinen zu halten, und aus seinem Mund quollen unverständliche Laute.
Die Ritter des Kaisers waren angewidert von Enzios Umgebung, seiner Erscheinung und vor allem seinem Gestank, und jeder von ihnen hatte den Wunsch, die Grafschaft Tuszien so schnell wie möglich wieder zu verlassen.
Es waren tapfere Männer, die keinem Kampf aus dem Weg gingen, aber Krankheit und Verwesung lösten in ihnen größere Schrecken aus als die rohe Gewalt eines Feldzugs.
Gemeinsam mit Manfred waren sie übereingekommen, Enzio seinem selbst gewählten Schicksal zu überlassen und von jeder weiteren Strafe abzusehen. Der Mann litt bereits unter der schlimmsten Pein, die sie sich vorstellen konnten, und allein der Gedanke, diesen Abschaum, der sich selbst beschmutzte, auch nur zu berühren, löste Ekel in ihnen aus.
Also waren sie in Manfreds Heimat weitergezogen und hatten die Burg der Lancias unversehrt vorgefunden, allerdings mit deutlichen Schäden am Bauwerk, die auf Wind, Wetter und Vernachlässigung zurückzuführen waren. Dennoch war das Gebäude notdürftig bewohnbar, was sein Eigentümer vor allem der unverdienten Treue einiger Dienstleute, darunter Pietro, der einst den Grafen Pucci aus dem Burggraben gezogen und ihm damit das Leben gerettet hatte, verdankte.
Manfreds unerwartete Rückkehr hatte nicht nur Freude ausgelöst. Die Leute hatten sein Verhalten seiner Schwester gegenüber nicht vergessen, ebenso wenig wie Manfreds oft aufbrausende und ungerechte Art. Dass er nun milder erschien und auf den einen oder anderen sogar einen geläuterten Eindruck machte, verblüffte selbst den ein wenig schwachsinnigen Pietro.
Selbstverständlich hatte Manfred den Dienstleuten nichts über Biancas Schicksal erzählt. Er schätzte diese Art von Verbrüderung ganz und gar nicht. Aber seltsamerweise sprach sich doch herum, dass die schöne Gräfin Lancia nach einer abenteuerlichen Flucht bis nach Jerusalem, dem Nabel der Welt, die Mätresse Kaiser Friedrichs geworden war und sogar ein Kind, ein kleines Mädchen, von ihm hatte.
Wie häufig bildeten sich rasch zwei Gruppen. Die eine behauptete, schon immer geahnt zu haben, dass die Gräfin irgendwann mindestens einen König heiraten würde. Und die andere sagte düster voraus, dass diese Liebe nicht von Dauer sein könne, da ein Kaiser immer eine Frau aus königlichem Geblüt heiraten müsse und Bianca – trotz allen Liebreizes und ihrer nicht zu verkennenden Klugheit – nun mal nur eine Gräfin sei.
Die Ritter, die unter sich ähnliche Überlegungen anstellten, überhörten das Geschwätz der Dienstleute, ließen sich aber nicht davon abhalten, bei Wein und Bier selbst heftig über den Kaiser und seine Mätresse zu debattieren. Heimlich schlossen sie Wetten ab, wann Friedrich seine dritte Ehe schließen würde. Denn dass er früher oder später Isabella von England doch noch zur Frau nehmen würde, darüber waren sich alle einig.
Es dauerte eine Zeitlang, bis Manfred seine Angelegenheiten im Piemont so weit geregelt hatte, dass sie an ihre Rückreise ins Königreich Sizilien denken konnten. Er hatte einen fähigen und zuverlässigen Verwalter gefunden, der sich um Burg und Leute kümmerte, bis er eines Tages zurückkehren würde. Wobei er dieses Ereignis allenfalls in weiter Zukunft sah, denn vorerst erschien ihm der Aufenthalt am Hof des Kaisers weitaus interessanter. Außerdem wollte er noch eine Weile in der Nähe seiner Schwester bleiben. Die Narben, die Enzio in Biancas Seele geschlagen hatte, waren immer noch nicht ganz verheilt.
Auf jeden Fall hatte Manfred seiner Schwester viel zu erzählen, und er brannte schon darauf, ihr Enzios Verfall zu schildern. Lange würde er darauf nicht mehr warten müssen, denn die Reitergruppe war mittlerweile der Stadt Foggia so nah
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