Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
Krieg ums Leben gekommen, ein anderer, Tullio, war ein angesehener Sprachwissenschaftler, der Jahre später Bildungsminister werden sollte. Wenige Tage vor seinem Tod hatte Mauro De Mauro seinen Kollegen in der Redaktion anvertraut: »Ich bin an einer Geschichte dran, die Italien erzittern lassen wird.«
Als Jugendlicher hatte De Mauro den Fürsten Junio Valerio Borghese kennengelernt und sich zum Dienst unter dessen Kommando in der Decima Mas gemeldet, der Marineinfanterie von Mussolinis Republik von Salò. 1945 setzte er sich unter falschem Namen nach Sizilien ab, 1960 trat er der Redaktion von
L’Ora
bei.
Jahre nach seinem Verschwinden gaben mehrere Mafiaaussteiger an, De Mauro sei von den Mafiosi Emanuele D’Agostino und Stefano Giaconia entführt und erdrosselt, seine Leiche im Flussbett des Oreto unweit der Mündung vergraben worden. Vorher aber habe man ihn »verhört«, um zu erfahren, ob er mit jemandem über den Staatsstreich gesprochen hatte, den Fürst Borghese gerade vorbereitete [vgl. Kap. 66]. Die Cosa Nostra war in ein Komplott mit den Generälen verstrickt. De Mauros Leiche wurde nie gefunden. Vierzig Jahre danach ist Mauro De Mauros Tod immer noch ein Rätsel.
Aus: Francesco Viviano,
Mauro De Mauro,
La verità scomoda
, Reggio Emilia, 2009
16. Hat die Mafia eine Vorliebe für bestimmte Waffen?
Früher war die klassische Mordwaffe der Mafia die
lupara
, eine Schrotflinte mit kurzem Lauf. Da die
lupara
aber unhandlich und wenig effizient ist, verwenden die Mafiosi heutzutage alles Mögliche, je nach den Umständen.
Die bei Mafiadelikten verwendeten Waffen geben viel mehr Aufschluss, als man auf den ersten Blick meinen könnte. DerWaffentyp erklärt, wie die Organisation vorgegangen ist, um einen Mord zu verüben. Will man der Mafia auf die Schliche kommen, muss man in einem ersten Schritt untersuchen, welche Waffen sie einsetzt. In Sizilien sprechen die Waffen. Und auch die Toten sprechen.
Der sogenannte Mafiakrieg, der 1981 begann (vgl. v. a. Kap. 61), wurde mit einer Kalaschnikow eingeläutet, dem Sturmgewehr sowjetischer Bauart, das von den Ehrenmännern bis dahin noch nie benutzt worden war. Im April starb Stefano Bontate, der Boss der Mafia von Palermo, im Kugelhagel einer Kalaschnikow. Im Mai folgte Salvatore Inzerillo. Im Juni 1982 war Alfio Ferlito an der Reihe, ein Mafioso aus Catania. Am 3. September tötete dieselbe Kalaschnikow den Carabinieri-General Carlo Alberto Dalla Chiesa und seine Frau Emanuela Setti Carraro. Die ballistische Untersuchung ergab, dass eine Mafiagruppe eine andere bekämpft und auch den General und Polizeipräfekten umgebracht hatte. Damals verfügten die Ermittler noch nicht über eine solche Fülle an Kenntnissen über die Cosa Nostra wie heute. Niemand wusste, was in der Organisation wirklich vorging. Die Kalaschnikow war daher so etwas wie ein Fingerabdruck. Sie ebnete den Weg für weitreichende Ermittlungen.
17. Die Mafia tötet anders als andere kriminelle Organisationen. Folgt sie einem bestimmten Ritual?
Bei einem Mafiamord ist nie irgendeine Art von Fetischismus im Spiel. Man könnte meinen, wenn Mafiosi ihre Opfer in Säure auflösen, seien sie grausamer als andere Verbrecher. Während des Mafiakriegs haben sie viele Angehörige feindlicher Clans auf diese Weise spurlos verschwinden lassen – auch Giuseppe Di Matteo, den elfjährigen Sohn eines Mafiaaussteigers. Bei dieser Art zu töten geht es nicht darum, die eigene Grausamkeit vorzuführen, sondern allein um Zweckmäßigkeit. Wenn eine Leiche verschwindet, ist es viel schwerer, Ermittlungen zu führen, Indizien zu sammeln und Zeugen zu vernehmen. Die Mafiosi sind da sehr pragmatisch.
Während des Mafiakrieges sorgte die
incaprettamento
genannte Fesselungstechnik für Aufsehen: Dem Opfer wurden Fuß- und Handgelenke mit einem Seil auf dem Rücken zusammengebunden und das Seil um den Hals gelegt. Wenn dann die Beinmuskeln erschlafften, erdrosselte sich das Opfer selbst. Mehrere Mafiaaussteiger, von denen die Staatsanwälte wissen wollten, warum sie mit solcher Grausamkeit töteten, fielen aus allen Wolken: »Von wegen Grausamkeit«, antworteten sie, »wir haben sie auf diese Weise umgebracht, weil die Leichen dann leichter im Kofferraum zu verstecken und zu transportieren waren.«
Anfang der achtziger Jahre griff in Palermo eine Art Psychose um sich: Alle prüften das Heck der Autos, die in den Straßen der Stadt abgestellt waren. Wenn das Auto tiefer lag und die Stoßstange fast den
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