Die Magd von Fairbourne Hall
retten.«
Mr Upchurch . Ihr Herz hämmerte. Dann stimmte es also. Sie war soeben als Dienstmädchen im Haushalt zweier früherer Verehrer eingestellt worden …
»Du meine Güte«, murmelte sie. Sie konnte es kaum fassen. Noch vor ein paar Tagen hatte sie vorgehabt, Lewis Upchurch insgeheim aufzusuchen, um ihn dazu zu bringen, ihr einen Antrag zu machen. Als sie ihn dann mit der anderen Frau gesehen hatte, die ihm ganz eindeutig etwas bedeutete, hatte sie diesen Plan natürlich fallen gelassen. Aber er durfte sie nie, niemals so sehen, wie sie jetzt aussah, schmutzig und ungepflegt und in einer Situation, wie sie demütigender nicht sein konnte.
Am liebsten hätte sie Mr Hudson gefragt, von welchem Mr Upchurch er sprach, doch wenn herauskam, dass sie die Familie kannte, riskierte sie, dass ihr Inkognito aufflog. Ihres Wissens hatte Lewis nichts mehr mit den Familiengeschäften zu tun und hatte sich also höchstwahrscheinlich auch nicht mit den Zuckerschiffen der Upchurchs befasst.
Stattdessen fragte sie: »Waren Sie durch den Rauch ohnmächtig geworden?«
»Nein. Es lag nicht am Rauch, sondern an einem kräftigen Schlag mit einem Knüppel auf meinen Kopf.«
»Nein!«
»Doch. Haben Sie von dem Dieb gehört, den die Leute den Dichter-Poeten nennen?«
»Ja. Aber ich dachte, es sei eine Legende.«
»Eine Legende aus Fleisch und Blut. Und eine Pest. Aber ich sage besser nichts mehr. Mr Upchurch will ganz sicher nicht, dass ich seine Sorgen herumtratsche.«
Margaret erinnerte sich daran, was Emily auf dem Ball der Valmores gesagt hatte – dass Nathaniel aussähe wie ein Pirat und vielleicht sogar der sogenannte Dichter-Pirat sei. Anscheinend hatte sie sich geirrt.
Allerdings bestand ja noch die Möglichkeit, dass Mr Hudson von Mr Upchurch senior sprach, dachte Margaret mit einem Anflug von Verzweiflung. Vielleicht war er ja gemeinsam mit Nathaniel zurückgekehrt und saß jetzt hinten in der Kutsche. Vielleicht waren Lewis und Nathaniel in London geblieben. Sie riskierte es: »Ist Mr Upchurch ein älterer Herr?«
»Nein. Es sei denn, Sie bezeichnen neunundzwanzig als alt, was ich nicht tun würde.«
»Oh. Sie nannten ihn Ihren Herrn, deshalb dachte ich …«
»Der Vater lebt auf Barbados, also ist sein Sohn im Moment der Herr. Er hat noch einen älteren Bruder, aber Lewis Upchurch hält sich meistens in London auf. Wir werden ihn wahrscheinlich nicht oft zu Gesicht bekommen.«
»Bestimmt kommt er jetzt nach Hause«, sagte sie und dachte an die Forderung, die Nathaniel auf dem Ball an ihn gestellt hatte.
Mr Hudson warf ihr einen scharfen Blick zu.
»Ich meine … jetzt, wo sein Bruder zu Hause ist.«
Er betrachtete sie noch einen Moment länger, dann konzentrierte er sich wieder auf die Straße. Hatte sie sich womöglich schon verraten?
»Vielleicht.« Der Verwalter räusperte sich. »Wie auch immer, Nora – als Hausmädchen werden Sie die Familie kaum zu Gesicht bekommen. Soweit ich weiß, sollen Dienstboten nach Möglichkeit unsichtbar sein.«
Margaret nickte unbestimmt, doch sie dachte eigentlich nicht an unsichtbare Hausmädchen. Sie dachte an den gut aussehenden Lewis Upchurch.
Was sollte sie tun, wenn Lewis nach Hause kam? Sich ihm zu er kennen geben und ihm ihre Situation erklären? Selbst wenn sein Interesse an ihr sich in den letzten Monaten abgekühlt hatte, würde er ihr doch sicher helfen.
Ein paar Minuten später lenkte Mr Hudson die Pferde in eine geschwungene Auffahrt und brachte sie mit einem lang gezogenen »Hooooh« zum Halten. Die Kutsche stand vor einem imposanten Herrenhaus, einem roten Ziegelbau mit weißer Vordertür. In den beiden ersten Stockwerken sah sie hohe, weiß gerahmte Fenster, das oberste Stockwerk besaß mehrere kleinere Mansardenfenster. Aus dem Dach ragten dicke Schornsteine. Ein sorgfältig gepflegter Rasen, beschnittene Hecken und Blumenrabatten verliehen dem Anwesen Farbe und Wärme.
Wenn sie Nathaniel Upchurch nicht vor ein paar Jahren abgewiesen hätte, könnte dies jetzt ihr Heim sein. Die Ironie der Situation hinterließ einen bitteren Geschmack in ihrem Mund.
Ein livrierter Diener kam herausgelaufen. Margaret drehte sich auf der Bank um, um abzusteigen, doch Mr Hudson legte ihr eine feste Hand auf den Arm. »Nicht hier, Nora. Wenn wir Mr Upchurch hineingebracht haben, fahre ich Sie nach hinten zum Dienstboteneingang.«
Ihre Wangen brannten. »Natürlich.« Sie konnte kaum fassen, dass Nathaniel Upchurch in der Kutsche war, auf deren Kutschbock sie
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