Die Magd von Fairbourne Hall
verstehe.«
Er bot ihr zehn Pfund im Jahr – mehr, dachte sie, als man Joan geboten hatte, obwohl diese ein erfahrenes Hausmädchen war.
»Ist das in Ordnung?«, fragte er.
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ja.«
»Wann können Sie anfangen?«
»Sofort.«
»Müssen Sie denn nicht jemanden benachrichtigen oder Ihre Sachen holen oder …?«
»Ich habe alles dabei …« Sie hob ihre Tasche hoch und dachte: … und keinen Ort zum Schlafen .
»Gut, umso besser. Kommen Sie.«
Sie trat über das Seil und folgte ihm die High Street hinunter zu einer Reihe wartender Wagen. Den ganzen Weg war ihr sehr unbehaglich zumute bei dem Gedanken, sich in die Hände dieses Fremden zu geben, so freundlich er auf den ersten Blick auch wirken mochte.
Unterwegs sagte er: »Ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Ich bin Mr Hudson. Darf ich bitte Ihren Namen wissen?«
Sie nannte ihm den Namen, auf den sie und Joan sich geeinigt hatten – Nora Garret . Nora von ihrem zweiten Vornamen, Elinor. Und Garret von Margaret.
»Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Nora.«
Er blieb vor einer geräumigen alten Kutsche stehen, in der sie das Gefährt erkannte, das sie von Pegs Fenster in London aus gesehen hatte. Sie war noch immer erstaunt, dass der Mann sie wiedererkannt hatte, und noch erstaunter, dass er sie aus diesem Grund eingestellt hatte. Dennoch beruhigte diese Tatsache ein wenig ihre nagende Sorge, dass er sie möglicherweise aus unehrenhaften Absichten engagierte. Er hatte sie nicht einmal nach einem Zeugnis gefragt und ganz bestimmt nicht wegen ihrer Qualifikationen eingestellt. Aber wenn er es aus Dankbarkeit getan hatte, konnte sie damit leben.
Sie hoffte, dass die übrige Dienerschaft es ebenfalls akzeptieren würde.
»Erlauben Sie mir, Ihnen beim Einsteigen zu helfen.«
Sie streckte die Hand aus, doch dabei bemerkte sie, dass er ihr nicht etwa helfen wollte, in die Kutsche zu steigen, sondern auf die Kutschbank.
»Der Herr sitzt drin, müssen Sie wissen.«
Nachdem Mr Hudson ihr hinaufgeholfen hatte, blieb er kurz ste hen, öffnete den Schlag und wechselte ein paar Worte mit dem Mann darin. Dann band er die Zügel los und kletterte selbst hinauf. Die Kutsche schwankte leicht unter seinem Gewicht.
Margaret war häufig mit ihrem Vater zusammen in seinem Einspänner gefahren, doch hier einfach so neben einem fremden Mann zu sitzen war sehr viel weniger erfreulich. Sie überlegte, wo wohl der Kutscher war und warum stattdessen der Hausverwalter kutschieren musste.
»Ist es weit?«, fragte Margaret, während sie die Pflasterstraße hinunterratterten und das geschäftige Stadtzentrum rasch hinter sich ließen.
»Nein. Fairbourne Hall liegt etwa eine Meile im Süden der Stadt.«
Fairbourne Hall? Der Name sagte ihr etwas. Plötzlich hatte sie ein flaues Gefühl in der Magengegend, das nicht nur von der schwankenden Kutsche herrührte. Es konnte nicht sein! Sie musste ihn missverstanden haben. Sie war nie auf dem Landsitz der Upchurchs gewesen, nur in ihrem Stadthaus in London, doch sie glaubte sich zu erinnern, dass sowohl Nathaniel als auch Lewis Upchurch ihn erwähnt hatten. Wie hatte sie nur vergessen können, dass er in der Nähe von Maidstone lag?
Und jetzt saß auch noch der Herr in der Kutsche! Vielleicht sprach Mr Hudson ja von Mr Upchurch senior. Aber eigentlich war Margaret ganz sicher, dass James Upchurch noch auf Barbados war. Und bis zu dem Ball hatte sie angenommen, dass Nathaniel sich ebenfalls dort aufhielt.
Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Darf ich Ihnen eine Frage nach dem Mann stellen, den ich in der Kutsche gesehen habe? Fehlt ihm etwas?«
»Er wurde gestern Abend verletzt, als sein Schiff Feuer fing.«
»Wie schrecklich!«
Er nickte. »Ich habe ihn zu einem Wundarzt gebracht, nachdem es passiert ist. Aber der Kerl war mir nicht sympathisch. Darum haben wir die Nacht in einem Gasthaus verbracht und heute Morgen, bevor wir London verlassen haben, einen anderen Arzt aufgesucht. Er meint, mein Herr käme wieder ganz in Ordnung. Ich bin eigentlich nur nach Maidstone hineingefahren, weil ich eine Salbe kaufen musste, die der Arzt ihm verordnet hat, und da habe ich Sie dann zufällig gesehen.«
Sie sah auf seine bandagierte Hand. »Sie wurden ebenfalls verletzt?«
Er schüttelte wegwerfend den Kopf. »Das ist weiter nichts.«
»Aber Sie waren auch auf dem Schiff?«
»Ja, ich war nur leider keine Hilfe für ihn. Mr Upchurch musste mich von dem brennenden Schiff
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