Die Magd von Fairbourne Hall
als eine Mary.«
Margaret nickte.
»Mr Hudson sagt, du hättest als Zofe gearbeitet. Wo war das?«
»In Lime Tree Lodge, in Summerfield.«
»Und dein Arbeitgeber?«
Margaret schluckte. »Eine Mrs Haines.«
»Normalerweise würde ich an deinen letzten Arbeitgeber schreiben und ihn bitten, mir ein Zeugnis zu schicken. Doch da Mr Hudson dich eingestellt hat, bin ich einverstanden, dich einen Monat lang zur Probe zu beschäftigen. Ob du dann bleiben darfst, hängt davon ab, wie gut du deine Pflichten erfüllst, die Hausregeln einhältst und mit den anderen Dienstboten zurechtkommst. Hast du mich verstanden?«
»Ja, Maʼam.«
»Gut. Wir werden sehen.« Die Frau erhob sich. »Nach deinem Aussehen zu urteilen, hattest du einen langen Tag. Ich bringe dich nach oben und zeige dir deine Kammer.«
Mrs Budgeon nahm eine Kerze und ging voraus über den Flur im Souterrain. Dann reichte sie die Kerze Margaret, schloss mit einem der vielen Schlüssel, die sie an der Taille trug, einen Vorratsraum auf und holte eine Garnitur Bettzeug und ein Handtuch heraus. Die Kerze in der einen, ihre Reisetasche in der anderen Hand, folgte Margaret Mrs Budgeon über eine schmale Stiege, durch einen Anrichtraum im Erdgeschoss und zwei weitere Hintertreppen hinauf. Margaret war zwar von dem Stadthaus am Berkeley Square das Treppensteigen gewöhnt, allerdings nicht in einem solchen Tempo!
»Du benutzt bitte ausschließlich die Hintertreppe«, sagte die Haushälterin. »Auf der Haupttreppe will ich dich nur bei Dienstbotenversammlungen sehen oder wenn du das Treppengeländer putzt oder polierst.«
Margaret nickte, konnte jedoch nicht antworten, weil sie keine Luft mehr bekam.
Schließlich erreichten sie den Dachboden. »Die Dienstbotenzimmer auf diesem Flur sind alle belegt oder werden als Vorratsräume verwendet. Hinter dem alten Schulzimmer ist aber noch ein kleines Zimmer, das du haben kannst.« Sie bog um die Ecke und fügte stolz hinzu: »Jede der weiblichen Angestellten hier auf Fairbourne Hall hat ihr eigenes Schlafzimmer. Das gibt es nicht überall.«
Hatte Joan sich auf dem Dachboden am Berkeley Square ein Zimmer oder gar ein Bett mit einem der anderen Mädchen geteilt? Margaret hatte keine Ahnung.
Mrs Budgeon öffnete die letzte Tür. Margaret stieg der muffige Geruch eines Zimmers, das längere Zeit nicht benutzt worden war, in die Nase. Der Raum war klein, schmal und weiß getäfelt. Ein trübes Fenster ließ ein paar schwache Strahlen Abendsonne herein. An einer Wand stand ein Eisengitterbett mit Matratze, an der anderen eine Kleidertruhe und ein Lattenstuhl.
Mrs Budgeon legte das Handtuch auf die Kleidertruhe und runzelte die Stirn wegen der leeren Waschschüssel, neben der eigentlich ein Krug mit Wasser hätte stehen sollen. »Ich schicke dir jemand hoch mit Wasser.«
Margarets Magen meldete sich abermals laut knurrend. Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden.
Mrs Budgeon sah sie an. »Wann hast du zuletzt gegessen?«
Margaret stellte die Kerze und ihre Reisetasche ab. »Heute Morgen.«
»Du hast das Mittagessen verpasst und Abendessen gibt es erst um neun.« Sie seufzte. »Ich lasse dir auch etwas zu essen hochbringen. Aber gewöhne dich lieber nicht daran, bedient zu werden.«
Zu spät , dachte Margaret.
Die Frau reichte Margaret die Bettwäsche. »Das Bett kannst du dir ja hoffentlich selbst machen?«
»Natürlich«, murmelte Margaret, obwohl sie noch nie in ihrem Leben ein Bett gemacht hatte.
»Morgen früh wird Betty dir zeigen, was hier auf Fairbourne Hall von dir erwartet wird. Und ich will nichts hören wie: ›Aber in meiner letzten Stellung wurde das ganz anders gemacht!‹ Verstanden?«
»Ja, Maʼam«, sagte Margaret. Das werden Sie von mir bestimmt nicht hören.
Als die Haushälterin gegangen war, hängte Margaret ihre Haube an den Haken hinter der Tür und begann das Bett zu machen. Die Laken und der Kissenbezug waren aus rauer Baumwolle – längst nicht so fein, wie sie es gewöhnt war, aber sauber und wohlriechend. Sie breitete das Laken über die Matratze und steckte es rundherum fest, zu müde, um die Falten glatt zu streichen. Dann legte sie eine Decke aus leichter Sommerwolle darüber und zum Schluss einen Überwurf aus weißer Baumwolle mit Fransenbesatz.
Dann klopfte es einmal kurz an der Tür und noch bevor sie antworten konnte, wurde die Tür aufgestoßen. Eine dünne, dunkelhaarige Frau in Haube und Schürze trat herein. In der einen Hand trug sie einen Krug, in der anderen einen
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