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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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war, unter Nathaniels Dach zu wohnen. Bei den Morgenandachten hatte sie ihn natürlich gesehen, doch laut Mr Hudson und Betty war es höchst unwahrscheinlich, dass sie sonst noch irgendein Mitglied der Familie zu Gesicht bekam, außer vielleicht kurz im Vorbeigehen. Was würde Nathaniel sagen, wenn er feststellte, dass sie in seinem Haus wohnte, sein Essen aß, seine Böden schrubbte? Letzteres würde ihm wahrscheinlich gefallen, dachte sie, doch Ersteres würde er strikt ablehnen. Gut, dass sie ihm wahrscheinlich niemals unter die Augen kam.
    Margaret dachte an Helen Upchurch, die sie ebenfalls bei den Morgenandachten gesehen hatte. Helen war fünf Jahre älter als Margaret; sie kannten sich nur flüchtig. Dennoch war Margaret traurig gewesen, als sie von der unglücklichen Liebesgeschichte der anderen gehört hatte; der Mann, den sie hatte heiraten wollen, war vor ein paar Jahren gestorben. Anscheinend hatte sie sich in der Zwischenzeit damit abgefunden, das Leben einer alten Jungfer zu führen.
    Von Lewis Upchurch, dem einzigen Familienmitglied, dem sie sich eventuell anvertraut hätte –, wenn sie irgendwann den Mut dazu aufbrachte – war weder etwas zu sehen noch zu hören.
    Margaret massierte ihre Finger. Sie hörte ein Wimmern und dachte einen Augenblick, sie selbst hätte laut vor sich hin gejammert, doch dann kratzte jemand an ihrer Tür. Sie setzte sich im Bett auf und griff in panischer Angst nach ihrer Perücke. Die Tür ging knarzend auf.
    »Einen Augenblick«, flüsterte sie. Doch es war zu spät. Wer immer es war, betrat das Zimmer; sie hörte die Tritte. Margarets Augen begannen sich gerade an die Dunkelheit zu gewöhnen, als eine feuchte Nase ihren Ellbogen berührte. In dem dämmrigen Raum griff sie nach dem grauen Kopf des Wolfshunds, der im Mondlicht silberweiß schimmerte.
    »Jester …«, schalt sie leise. »Was machst du denn hier oben – willst du mir noch ein Bad verpassen?« Sie streichelte die großen Ohren des Hundes. »Das würde deinem Herrn aber gar nicht gefallen. Jemand mit deinem Stammbaum – sucht die Gesellschaft eines Dienstboten?«
    Als sie das Wort laut ausgesprochen hatte, musste sie erst einmal nachdenken. »Ich bin eine Dienerin«, flüsterte sie dann ungläubig. Da lag sie, erschöpft und mit schmerzenden Gliedern, und dachte, dass sie am besten sofort packte und weglief. Sich heimlich fortschlich und … irgendwohin ging. Wohin auch immer. Doch im Moment war sie viel zu müde dazu.

    Am nächsten Nachmittag ging Nathaniel in die Bibliothek, um an seinen Vater und an den Anwalt der Familie zu schreiben und sie über den Zwischenfall auf dem Schiff und die Situation auf Fairbourne Hall zu unterrichten. Er hatte gehofft, einen Teil der Einnahmen aus dem Zuckerrohranbau dafür verwenden zu können, die Ecclesia wieder instand zu setzen, doch inzwischen war ihm klar geworden, dass er sich zuallererst um die desolaten Zustände auf dem Gut kümmern musste. Er und Hudson hatten ihre vorläufige Inspektion abgeschlossen. Das Dach über dem alten Schulzimmer war undicht, an mehreren Cottages der Arbeiter waren Reparaturen notwendig, der Obstgarten war völlig verwildert, eines der Pachtgüter war nicht besetzt, ein Zaun war beschädigt und so weiter und so fort; die Liste nahm kein Ende. Nathaniel seufzte. Sosehr er es sich auch wünschte, er konnte das Geld nicht guten Gewissens in sein Schiff stecken. Noch nicht.
    Plötzlich sah er durch die offene Tür der Bibliothek seinen Bruder durch die Eingangshalle kommen, unangemeldet. Wahrscheinlich hielt Lewis es nicht für nötig, sich in seinem eigenen Heim anzukündigen, so selten er auch hier übernachtete.
    Nathaniel unterschrieb seinen Brief, stellte die Feder zurück und stand auf, um seinen Bruder zu begrüßen. Er hoffte, Frieden mit ihm schließen zu können, wollte aber auf jeden Fall fest bleiben, was die Notwendigkeit betraf, die Familienangelegenheiten in Ordnung zu bringen und an ihre Einkommenssituation anzupassen.
    Arnold erschien in der Tür. »Entschuldigen Sie, Sir, aber Ihr Bruder ist soeben eingetroffen. Er wollte nicht, dass ich ihn ankündige, aber ich dachte, Sie möchten es sicher erfahren.«
    Nathaniel fand das kriecherische Wesen des Zweiten Butlers lästig, zwang sich jedoch, höflich zu antworten: »Danke. Wo ist er jetzt?«
    »Im Wohnzimmer, glaube ich, bei Miss Upchurch.«
    Nathaniel dankte dem Mann noch einmal, ging durch die Halle und stieg die Treppe hinauf. Seine Familie zog das obere Wohnzimmer

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