Die Magd von Fairbourne Hall
– Nathaniel und Helen waren hinaufgegangen, um ebenfalls ihr Frühstück einzunehmen – gingen Margaret, Betty und Fiona nach unten und holten ihre Putzkästen aus dem Schrank. Bisher hatten Margaret und Betty gemeinsam Helens Zimmer und das Zimmer des abwesenden James Upchurch geputzt. Betty hatte ihr genau gezeigt, wie sie alles machen musste. Doch heute überließ sie ihr zwei andere Räume – die der beiden Brüder Upchurch.
Eine unverheiratete Dame allein im Schlafzimmer eines Gentlemans? Normalerweise wäre daraufhin sofort ihr Ruf ruiniert gewesen. Doch an Margarets augenblicklicher Situation war absolut nichts Normales.
Als sie gerade an die Arbeit gehen wollte, rief Betty ihr noch nach, Fiona zu holen, wenn sie so weit war, die Betten zu machen, denn um diese Aufgabe ordentlich zu erledigen, waren oft zwei Personen nötig, vor allem, wenn eines der Mädchen neu war.
Margaret öffnete die Tür und sah sich in dem ersten Zimmer um; es war mit dunklem Holz getäfelt und hatte üppige burgunderrote Vorhänge. Sie zog die Bettvorhänge zurück, nahm die Betttücher auf und legte sie über einen Stuhl. Dann stieß sie die Fenster auf, um frische Luft ins Zimmer zu lassen. Als Nächstes nahm sie allen Mut zusammen, bückte sich, griff unter das Bett und zog den Nachttopf hervor, mit abgewandten Augen und zugehaltener Nase, stellte jedoch erfreut fest, dass der Deckel aufgelegt war. Hoffentlich hatte Fiona ihn bereits geleert, als sie frühmorgens frisches Wasser gebracht hatte.
Margaret brachte den Nachttopf ins Ankleidezimmer und verzog das Gesicht beim Anblick der zusammengeknüllten Krawatte, des schmutzigen Hemdes und der Strümpfe, die auf dem Boden verstreut lagen. Sie überlegte, welcher der Upchurch-Brüder wohl in diesem Zimmer schlief, und vermutete wegen seines verwilderten Aussehens bei dem Auftritt auf dem Ball, dass es Nathaniel war. Lewis stellte sie sich sehr viel pingeliger vor, wenn sie daran dachte, wie gepflegt und exquisit gekleidet er stets war. Aber vielleicht gebührte dieses Verdienst ja auch seinem Kammerdiener Connor. Sie stellte den Topf erst einmal beiseite und räumte das Zimmer auf, wobei sie sich fragte, warum die Kleidung des Mannes in einer solch heillosen Unordnung war. Sie konnte sich nicht erinnern, dass Nathaniel Upchurch einen Kammerdiener hatte, also musste wahrscheinlich einer der Lakaien oder der Zweite Butler diese Pflicht übernehmen – offensichtlich mit geringem Erfolg.
Sie goss das Seifenwasser aus der Waschschüssel in einen Eimer, säuberte die Schüssel, wechselte das Wasser im Krug und stellte Schüssel und Krug wieder auf den Waschtisch. Zum Schluss hob sie entschlossen den Deckel des Nachttopfs an. Nur durch den Mund atmend, neigte sie den Topf über den Eimer, hörte es schwappen und riskierte einen Blick. Irgendetwas war im Topf hängen geblieben. Sie klopfte mit dem Topf gegen den Eimer, um es zu lösen. Äääähhhh! Dafür hatte sie wahrlich nicht zwei Jahre auf Miss Highworths Mädchenpensionat verbracht!
Schließlich war der Topf leer. Sie wusch sich sorgfältig die Hände und widmete sich wieder ihren anderen Pflichten. Sie wischte den Boden, reinigte die Teppiche und begann Staub zu wischen. Auf dem Nachttischchen lagen mehrere Münzen und zerknüllte Quittungen. Als sie die Papiere aufhob, um darunter abzustauben, warf sie einen Blick darauf. Es war eine gekritzelte Nachricht. Treffen uns um 11 Uhr am üblichen Ort. – L. Die anderen waren Quittungen von Whites, einem Herrenclub in London. Mit einem Anflug von Schuldgefühl legte sie Papiere und Münzen wieder hin.
Sie dachte an Sterlings Geld und an Joan, betete wieder einmal um Vergebung und setzte ihre Arbeit fort.
Als sie fertig war, ließ sie die Bettdecken wie befohlen zum Lüften aufgeschlagen und ging in das zweite Zimmer und das daran angrenzende Ankleidezimmer. Sie sah auf die Uhr und merkte, dass sie sich beeilen musste, wenn sie bis elf Uhr fertig sein wollte. Zum Glück war es hier viel ordentlicher als in dem anderen Zimmer. Hier wohnte Lewis, nahm sie an. Auf dem Boden lag keine Kleidung herum, die Papiere und Bücher auf dem Schreibtisch in der Ecke waren sauber geordnet.
Methodisch arbeitete sie weiter, sah erleichtert, dass der Nachttopf bereits geleert war, ob von Fiona oder dem pflichtbewussten Connor, wusste sie nicht, dankte aber im Stillen beiden. Sie bemerkte ein aufgeschlagenes Buch auf dem Nachttisch und schaute neugierig über ihre Brillengläser, um den Titel
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