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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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er am liebsten sofort nach London aufgebrochen, den Säbel in der Hand, um sie zu retten. Was für ein Narr er doch war, selbst jetzt noch.
    Endlich hatte Margarets Herzschlag sich wieder beruhigt. Sie hatte sich fürchterlich erschreckt! Mehrmals sogar. Zuerst hatte sie gehört, wie ihr Name gerufen wurde, und sie dachte, Sterling Benton sei gekommen, dann war die Vase zerbrochen und Nathaniel Up­church war herausgestürmt, um nachzusehen, was passiert war. Doch er hatte sie nicht erkannt, tröstete sie sich und holte noch einmal ganz tief Luft.
    Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und schluckte. Sie hatte den Ausdruck auf Bettys Gesicht gesehen und gespürt, welche Angst die andere hatte, dass sie ihre Stellung verlieren könnte – wegen eines unglücklichen Zufalls, der nicht einmal ihre Schuld war. Sie, Margaret, hatte nicht die Absicht, ihr Leben als Hausmädchen zu verbringen, aber Betty hatte keine andere Wahl und wenn sie entlassen wurde, war das eine Katastrophe für sie.
    Doch im Moment war Margaret noch nicht bereit, ihre Stellung aufs Spiel zu setzen – sie hatte ja gerade erst angefangen. Es wäre schlimm für sie, gleich wieder fortgejagt zu werden, ohne auch nur einen Shilling Lohn. Und deshalb stand sie jetzt da, schweigend, während Betty die Scherben aufhob und Mrs Budgeon hinunter in ihr Zimmer folgte, um den Vorfall zu besprechen.
    Etwa zwanzig Minuten später, Margaret hatte gerade die restlichen Vasen und das Regal abgestaubt, kehrte Betty mit totenbleichem Gesicht zurück.
    »Was hat sie gesagt?«, flüsterte Margaret.
    »Sie hat gesagt, sie müsse mit Mr Hudson darüber reden, aber der ist gerade unterwegs, bei irgendwelchen Pächtern. Ich soll morgen nach dem Abendessen zu ihm kommen.«
    Wieder blieben die Worte »Es tut mir leid« Margaret im Hals stecken. Stattdessen sagte sie: »Es war ein Unfall. Bestimmt werden sie dich deshalb nicht entlassen.«
    Betty runzelte ungläubig die Stirn. »Hausmädchen werden schon entlassen, wenn nur ein paar kleine Münzen fehlen oder ein Stück Porzellan zu Bruch geht. Und dies hier war ein Familienerbstück. Es war sehr wertvoll.«
    »Ich … ich wollte dich nicht erschrecken. Ich …«
    Betty verzog das Gesicht. »Aber warum hast du denn eigentlich geschrien? Hast du eine Maus gesehen oder so was?«
    »Nein.« Margaret schüttelte langsam den Kopf. »Keine Maus. Einen Geist.«

    Um halb sechs am nächsten Morgen steckte Margaret ihre Arme durch die Armlöcher ihres Korsetts und trat schon in ihr Kleid, weil sie damit rechnete, dass Betty jeden Augenblick klopfen würde, um ihr das Korsett zu schnüren und sie mit einem frischen: »Die Fensterläden warten, mein Mädchen« zur Eile anzutreiben.
    Doch heute klopfte es nicht.
    Als es schließlich irgendwo im Haus sechs Uhr schlug und Betty immer noch nicht gekommen war, ließ Margaret das Korsett unter ihrem Kleid ungebunden und lief den Gang hinunter, um die Ecke und den Hauptflur entlang zu Bettys Zimmer. Sie klopfte leise. Die Tür schwang auf. Sie blickte ins Zimmer und sah Betty auf dem schmalen, ordentlich gemachten Bett sitzen und auf ihre Hände starren, die in ihrem Schoß lagen.
    »Betty? Ist alles in Ordnung?«
    »Hmmm?«
    Margaret scherzte: »Die Fensterläden warten, mein Mädchen.«
    Betty lächelte nicht. Sie war bestimmt noch immer ganz außer sich wegen der Vase.
    Margaret ging ins Zimmer hinein. Als Betty immer noch keine Anstalten machte aufzustehen, setzte sie sich zu ihr aufs Bett. Jetzt sah sie, dass Betty etwas in der Hand hielt. Eine große goldene Brosche mit einem eingravierten Hirschkopf, an der mehrere lange Ketten befestigt waren. Eine Chatelaine.
    »Sie ist sehr hübsch«, sagte Margaret.
    Betty nickte. »Meine Mutter hat sie mir gegeben. Sie war viele Jahre Haushälterin auf Mote Park. Die Herrin hat sie ihr für zwanzig Jahre treue Dienste geschenkt. Sie war so stolz darauf und trug sie täglich. Sie hatte die Schlüssel von Mote Park daran befestigt und ein paar andere Dinge, die sie oft brauchte.« Betty hob eine kleine Kerzenschere hoch und strich mit dem Finger über drei kleine Kästchen, die an der Chatelaine hingen. »Hier drin ist ein Zahnstocher, in diesem eine Nadel und ein Faden, und dieses enthält einen Ohrlöffel.«
    »Es ist wirklich sehr schön«, stimmte Margaret ihr zu. Sie vermutete, dass sie aus Messing und nicht aus Gold war, doch sie hatte ihren Glanz auch nach der langen Zeit nicht eingebüßt. Offensichtlich war sie immer liebevoll

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