Die Magd von Fairbourne Hall
blickte müßig aus dem Fenster. Als sie hereinkam, fuhr er herum, doch dann lächelte er, erleichtert, nicht von einem Vorgesetzten beim Nichtstun erwischt worden zu sein. Er trat zu ihr und kniff sie wieder leicht in die Nase. »Du bist ein Schatz.«
Er nahm ihr den Topf ab, fluchte und stellte ihn rasch hin. »Verdammt, ist das heiß!«
Sie verbiss sich ein Grinsen und kehrte zu ihren eigenen Pflichten zurück.
Wie sie es abgemacht hatten, traf Nathaniel Hudson draußen in der Arkade – einem langen, überdachten Weg, der vom Haus durch die Rosengärten führte. Er war erst später an das ursprüngliche Herrenhaus angebaut worden. Die offenen Seiten der Arkade bestanden aus Bogenreihen, die von Säulen getragen wurden. Hier trafen sich die beiden Männer zu ihren morgendlichen Fechtübungen.
Fechten war Nathaniels Lieblingssport, gleich danach kam Reiten und dann das Spazierengehen mit den Hunden. Er war jetzt in einer weit besseren körperlichen Verfassung als vor seiner Abreise auf die Westindischen Inseln. Als er dort bald nach seiner Ankunft Hudson begegnet war, hatten die beiden Männer sich angewöhnt, regelmäßig zusammen Sport zu treiben – fechten, jagen, reiten und sogar boxen. Letzteres hatte sich allerdings als Fehlschlag erwiesen und wurde nie wiederholt.
Nathaniel war der Schnellere und beherrschte die Technik besser, was keine Überraschung war angesichts der Tatsache, dass er eine klassische Ausbildung genossen hatte, während Hudson sich alles, was er konnte, selbst beigebracht hatte. Doch was ihm an Finesse fehlte, machte er durch Ausdauer und Entschlossenheit wett. Und wie der Mann schwitzte! Nathaniel taten beinahe die Waschfrauen leid.
Nachdem sie sich begrüßt und ein paar Bemerkungen über das Wetter gewechselt hatten, begann der Kampf. Angriff, Ausfall, Schritt rückwärts, Schritt rückwärts. Hieb, Parade-Riposte. Finte, Angriff, Parade-Riposte … so ging es fort und fort, in rhythmischem Zirkel. Hin und wieder eine Ballestra, seltener ein Flèche, bis einer der Kämpfer einen Fehler machte, müde war oder die Deckung verlor und seinem Gegner die Gelegenheit zu einem Hieb gab.
Nach einer halben Stunde griff Hudson plötzlich heftig an, doch Nathaniel parierte. Dann machte Nathaniel einen Ausfall und Hudson konterte … aber zu spät.
»Touché«, verkündete Hudson.
»Bravoo!«, ertönte Lewisʼ Stimme in seiner üblichen lässig-gedehnten Sprechweise.
Nathaniel blickte auf und sah seinen Bruder an einer der Säulen lehnen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er gekommen war.
Hudson wischte sich mit dem Taschentuch die Stirn und wandte sich an Lewis: »Möchten Sie es auch einmal versuchen, Sir? Ich mache gern eine Pause.«
Lewis winkte ab. »Du meine Güte, nein! Viel zu anstrengend! Machen Sie beide nur weiter.«
Nathaniel keuchte; er musste erst wieder zu Atem kommen. »Woll test du etwas Bestimmtes, Lewis?«
»Nur Bescheid sagen, dass ich morgen nach London zurückfahre.«
Ärger stieg in Nathaniel auf. Lewis hätte noch mit ihm durchsprechen sollen, welche Reparaturen in Fairbourne Hall als Erstes durchgeführt werden sollten, und sie hatten auch noch nicht über die Einsparungen im Londoner Haushalt gesprochen.
»Schon? Aber …«
Lewis hob eine Hand. »Spar dir deine Worte. Ich muss ein paar Sachen in London erledigen, aber ich bin bald zurück. Versprochen.«
Am Nachmittag trat Margaret gerade aus dem Dienstbotenzimmer, als der Untergärtner im Flur des Souterrain erschien. Er trug einen Korb mit langstieligen Schnittblumen.
»Hallo, meine Liebe. Du bist neu, nicht wahr?«
»Ja. Ich bin Nora Garret.«
»Schön, Nora. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du Mrs Budgeon diese Blumen geben könntest. Mr Sackett sitzt mir im Nacken, ich muss zurück an meine Arbeit.«
»Natürlich. Sie sind wunderschön. Für Miss Upchurchs Zimmer?«
Er nickte. »Und für die Halle.«
Margaret hob den Korb an ihr Gesicht und atmete tief den süßen Duft der Spätsommerrosen und weißen Klematis ein, die zwischen anderen ebenso schönen, aber weniger duftenden Blumen steckten.
Betty, wusste sie, nähte gerade für Miss Upchurch einen abgerissenen Saum an und Fiona und Mrs Budgeon fertigten ein Inventar des Wäscheschranks an.
Margaret hatte schon festgestellt, dass keiner der Dienstboten auf Fairbourne Hall ein Händchen für Blumenarrangements hatte. Welch ein Vergnügen würde das für sie sein, nach der Plackerei mit dem Polieren sommerlich unbenutzter Kaminroste,
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