Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
Vom Netzwerk:
Für seine Kenntnis des Nordens nämlich, die er als Begleiter von König Olafs Raubzügen von klein auf erworben hatte. Auch die Kenntnisse in Runen waren Ketil von Nutzen, und ganz allgemein schien er ihn für sein aufgewecktes Wesen zu schätzen.
    Einige Tage später lief eine Kriegsflotte des Königs Sveinn Tjúguskegg zur Verproviantierung ein, um nach diesem Zwischenstopp einen unbotmäßigen Großbauern auf einer der abgelegeneren Inseln zurechtzuweisen. Parallel zu ihr kam ein arabisches Handelsschiff, und es gab viel zu tun: Der Araber musterte einige von Ketils Frauen und nahm auch jene Schönheit mit, die Kyrrispörr hatte begutachten sollen, während die Dänen Ketil einige junge Frauen und Jünglinge zum Kauf anboten. Kyrrispörr sollte ihm bei der Prüfung zur Hand gehen, wie er es gezeigt bekommen hatte. Aber wieder konnte er sich nicht dazu aufraffen, den Frauen auch nur nahezukommen. Es war ihm jedes Mal, als bedeute es, Æringa selbst zu verraten. Er konnte es einfach nicht. Seufzend schickte ihn Ketil also zu den Jünglingen, und Kyrrispörr konnte weder ihre abgrundtief hasserfüllten Blicke vergessen oder das Aufkeuchen, noch das sulzige Gefühl, das er danach an den Fingern hatte. Aber schließlich gelang es ihm doch, es wie eine sachliche Prüfung zu nehmen, eben wie bei Zuchtbullen.
     
    Danach hatte Kyrrispörr freie Zeit. Heiabýr war eine überwältigende Stadt. Das Meer aus Reetdächern, das sich vom Hafen aus seinem Auge dargeboten hatte, wurde in der Ferne von einem Erdwall mit Holzpalisaden umgürtet. Viereckige Holztürme ragten dort auf, wo sich die Tore befanden. Am Hafen standen die Langhäuser dicht an dicht, einige mit lehmverputztem Flechtwerk als Wände, viele aber auch mit genuteten Spaltbohlen aus Eichenholz, die ihnen einen massigen, festen Eindruck verliehen. Hier stützten schräge Balken die Reetdächer, dort wurde das Gewicht ganz von den Wänden und Stützen im Häuserinneren gehalten. An der mit festverzapften Brettern belegten Straße entlang führte ein Bach, an dem gelegentlich Frauen an ins Wasser führenden Waschstegen knieten und Kleider walkten. Kyrrispörr gelangte von dem Hafenbereich der Stadt in die höhergelegene Oberstadt, wo ein Teil Gräberfeld, ein Teil Handwerkerbereich und ein Teil ärmlich war. Anstelle der Hallenhäuser sah er dort die in die Erde eingegrabenen Grubenhütten.
    Er horchte auf das Klingeln der Feinschmiede, die über Scheibenanhängern und Schwertgefäßen saßen, Silberdraht tauschierten und Gelbgold auf das Rotgold von Fibeln brachten, und nahm unwillkürlich den Weg, der ihn vom Bezirk der Kesseltreiber fortführte, die mit ihrem Hämmern die Ohren des Passanten traktierten. Der Geruch von Birkenteer zog Kyrrispörr in die Nase. Er kam aus einem kleinen Tontopf, der neben dem Tisch eines Glasmachers an der Straße stand; tief vornübergebeugt, reparierte er gerade mithilfe eines Stöckchens eine Glasperle. Wieder wurde der Geruch abgelöst von der kühlen Luft einer Töpferwerkstatt, und in Kyrrispörrs Kopf stiegen Bilder einer Sumpflandschaft und von Herbstregen auf. Er musste Ziegen ausweichen, die in Richtung Oberstadt getrieben wurden. Überall scharrten Hühner und faulenzten Hunde in der Sonne. Im Bächlein, das die Holzbohlenstraße hier begleitete, glaubte er den dunklen Schimmer einer Ratte vorbeihuschen zu sehen. Hier gab es sie also auch, die Ratten; Norwegen hingegen hatten sie noch nicht erobert.
    Das war also Heiabýr! Die Enge und die zahllosen Menschen, die ihm ausnahmslos fremd waren, verwirrten ihn. Es war zwar nicht so quirlig wie beim großen Treffen der Seimenn bei den Lachsfängern oder wenn Olafs Heer sich versammelt hatte, aber durch die Häuser und Zäune, durch die Bohlenwege und die Geräusche und Gerüche des Handwerks, durch das Richtungsdiktat der Straßen war es ihm umso fremder. Er fühlte sich mit einem Mal allein und verletzlich.
    An einer Stelle hatte er sich sogar verlaufen. Er musste sich an der Sonne orientieren, um wieder zum Hafen zurückzufinden, und das, obwohl es eigentlich ganz einfach war – aber die Stadt stürmte mit solcher Wucht auf seine Sinne ein, dass er einfach davon überfordert war.
    Nach diesem Ausflug hatte Kyrrispörr erst einmal genug von Heiabýr. Er entfernte sich außer für die Hilfsarbeiten nur von Ketils Haus, wenn es unbedingt notwendig war.
     
    So verging der Frühsommer. Ketil war mit ihm sehr zufrieden, und Kyrrispörr wurde Teil des Stadtvolks. Ketil

Weitere Kostenlose Bücher