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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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zum ersten Mal, seit er als kleines Kind geflohen war. Daran konnte er sich nicht mehr erinnern und wollte es auch gar nicht. Eine Wolke aus Möwen stand dicht über dem Ort und seinem Hafen, der von einer Pfostenwand geschützt wurde. Sie passierten mehrere Schiffe, die gerade ausliefen, kein Wunder bei diesem hervorragenden Segelwetter. Erst als die Knorr die Absperrung umrundete, öffnete sich der Blick auf Heiabýr. Kyrrispörr war beeindruckt. In König Olafs Gefolge hatte er manches Nest und manches Dorf gesehen, nur selten aber eine Stadt. Und Heiabýr war, wie es sich von seinen Schutzwällen eingerahmt wie in einem riesigen Vogelnest ausbreitete, eine beeindruckende Stadt. Zu den Seiten drängten sich an kürzeren Auslegern und entlang des Laufgangs der Palisade die Holz- und Nahrungsfrachter. Die großen Stege dienten den behäbigen Knorrs und kleineren Handelsschiffen als Verkaufsplätze und zum Verladen, schlanke Kampfschiffe ankerten in der Nachbarschaft.
    Nicht minder gedrängt als im Hafen wirkte auch die Stadt selbst vom Schiff aus gesehen. Gleich hinter einem kleinen Hafenplatz reihte sich Haus an Haus zu labyrinthischen Straßenzügen, die mit Holzbohlen belegt waren und von Abzugsgräben flankiert wurden; eine Klangkulisse aus Rufen, dem Krähen von Hähnen, Schmiedehämmern und dem hellen Klingeln des Münzschlagers, Poltern von Fässern, Hundegekläff und dem Ratschen von Sägen erweckte den Eindruck, als sei Heiabýr ein überaus lebendiger Bienenstock. Sie fuhren ein und suchten einen freien Liegeplatz, da hörte Kyrrispörr den wilden Schrei eines Falken.
     
    Sie steuerten das Boot behutsam an den Kai. Kyrrispörr sprang hinüber und fing die Taue, um sie festzuzurren. Dann hatte er keine Zeit mehr, sich Gedanken um Falken zu machen. Händler versammelten sich sogleich beim Schiff und begannen ohne Umschweife, um die Waren aus dem Norden zu feilschen. Die Fässer und Bündel, die an den Händlern vorbei von Bord geschafft werden mussten, wollten kein Ende nehmen. Sie wurden in ein Langhaus am Hafen gebracht: Holzbohlenwege boten Trittsicherheit und erleichterten die Mühsal ein wenig. Ein weißhaariger Mann, der aber trotzdem noch recht jung wirkte, sichtete das Gelieferte und lud sie anschließend zu sich ein.
    »Mein Haus steht dort hinten, zweite Straße rechts, und ich habe guten Wein da!«
    »Dank dir, Ketil«, sagte Christian der Kupferne.
     
    Wenig später waren sie bei ihm. Sie saßen an der Tafel und ließen sich Wein und Speisen schmecken, die Ketil auftischen ließ. Zu Ketils Rechten saß ein ernst dreinblickender Mann mit sorgfältig gestutztem Schnauzer, dessen Gewand im Schnitt der fränkischen Hoftracht gefertigt war.
    »Das ist ein Vertrauter des Königs Sveinn Tjúguskegg«, raunte Gormr.
    »Sucht er Sklaven?«, fragte Kyrrispörr.
    »Nein, Neuigkeiten. Wenn du wissen willst, was in der Welt passiert, dann erfährst du es hier. Ob Norden, Süden, Westen oder Osten – Händler kommen von überall hierher. Für ihn sind deren Berichte mehr wert als ihr ganzes Handelsgut. Hier hörst du, was in der Welt passiert, ohne dich von der Stelle rühren zu müssen!«
    »Hier erfährst du alles …« Kyrrispörr nahm gedankenvoll einen Bissen Fleisch. »Auch, was ein König gerade tut? Wenn er weit weg in Norwegen sitzt?«
    »Auch das«, bestätigte Gormr.
    Für den Rest des Abends blieb Kyrrispörr schweigsam. Christian nahm an, er wollte zu seiner Familie zurückkehren. Erinnerungen an sein heimisches Dorf hatte er fast keine mehr, von den Albträumen abgesehen, und Kyrrispörr hatte weder Veranlassung noch Lust, sich dem Leben eines einfachen Bauern hinzugeben. Wenigstens um sein Auskommen musste er sich keine Sorgen machen. »Du kennst dich mit Sklavenhandel aus?«, fragte Ketil ihn am Morgen nach der Feier. »Weit gereist bist du jedenfalls und hast Menschen jeder Gestalt gesehen. Na, dann komm mit.« Er führte Kyrrispörr in den hinteren Bereich des Langhauses. Wo üblicherweise die Viehställe waren, befand sich hier eine Art Gefängnis. Kyrrispörr konnte mehrere Gestalten erkennen.
    »Þorfinn, bring mir zwei. – Rechts sind die Frauen, links die Männer«, erklärte er, während sie zwischen den Käfigreihen hindurch aus dem Hintereingang des Hauses heraus in einen hoch umzäunten Hof traten.
    »Wir kaufen nur die besten Sklaven ein, sonst lohnt das nicht. Die Zeiten, wo jeder Kleinkrämer auch einen Sklaven an seinem Stand zum Verkauf angebunden hat, sind vorbei. Die

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