Die Magie Des Herrschers
Verspechen halten und ihr den Diamanten wiederbringen, der damals verloren ging, dachte Lorin. Fasste man all die Zeit zusammen, die er hier schon nach dem Stein aus dem Anhänger der Hohepriesterin gesucht hatte, so waren es Monate, die er auf den Knien verbracht hatte. Nur bei strengstem Frost gönnte er sich eine Pause, aber durch die Schneemassen grub er sich mit Leidenschaft, um den Boden der kleinen Straße regelrecht umzupflügen.
Die Kalisstri beobachteten seine vergeblichen, nichtsdestoweniger hartnäckigen Versuche mit Respekt, hielten ihn insgeheim wegen dieser besonderen Obsession aber für mehr als merkwürdig. Doch Lorin fühlte sich an sein Versprechen gebunden, das er Kiurikka einst gegeben hatte. Mit Sieben und Rechen ging er zu Werke, die dünnsten Drahtgeflechte fertigte er, alles nur, um den winzigen Edelstein aus dem Erdreich zu filtern. Die Erfolglosigkeit, die ihm beschieden war, entmutigte ihn nicht etwa. Der Junge betrachtete es als eine Prüfung von Kalisstra, die ihm den getöteten Gamur erst vergeben würde, wenn er der Hohepriesterin das Schmuckstück überreichte, das sein Ziehvater der Frau versehentlich vom Hals gerissen hatte.
Als er an diesem Tag in die Gasse trat, hielt er inne, lehnte sich an eine Mauer und ließ den Blick umherschweifen. Da er jedes noch so kleine Körnchen in diesem Gebiet inzwischen in- und auswendig kannte, bezweifelte er, dass sich der Diamant hier befand. Es gab keine Stelle, an der er nicht mit Rechen und Sieb zu Gange gewesen war.
Zufällig bemerkte er, wie zwei Männer im Vorübergehen Münzen tauschten und eines der kleineren Geldstücke unbemerkt zu Boden fiel.
Lorin löste sich von der Wand und wollte die beiden Kalisstronen auf den Verlust hinweisen, als er ein kleines vierbeiniges Tier mit braungrauem Fell sah, das aus dem Schatten eines Hauses herbeihuschte. Zaudernd näherte es sich der Münze und beschnupperte den Fund, während es nach allen Seiten Ausschau hielt, ob sich jemand näherte, der ihm die Beute streitig machen könnte. Blitzschnell packte es mit der Schnauze zu und rannte davon.
Unfassbar!, dachte Lorin überrascht. Ich habe so eine Ahnung, wo das Schmuckstück abgeblieben sein könnte.
Er nahm die Verfolgung des Tieres auf, sprang über Hindernisse und wand sich zwischen Passanten hindurch, um dem flinken Räuber auf der Spur zu bleiben.
Zielstrebig jagte das Pelzwesen durch die Gassen und stellte die Reaktionsschnelligkeit und die Beobachtungsgabe des Jungen auf eine harte Probe. Doch Lorin ließ sich nicht abschütteln. Schließlich hielt der Dieb auf vier Pfoten in einer Gasse an. Mit der Beute voraus, zwängte er sich durch einen Spalt und verschwand im Keller eines Hauses.
Lorin kam langsam näher, rang nach Luft und besah sich den Schlitz, in dem das Tier Schutz suchte. Bei näherem Abtasten entdeckte er, dass der Stein der Mauer nur hineingeschoben und nicht durch Mörtel mit den anderen Quadern verbunden war. Er wartete, bis niemand in der Gasse zu sehen war, und drückte den Stein mit seinen magischen Fertigkeiten nach innen, um anschließend durch die Lücke zu kriechen. So nahe an der Lösung des Rätsels wollte er sich nicht mehr aufhalten lassen.
Im Innern des Hauses, in dem er sich befand, war es dunkel; nur durch die Lücke in der Mauer fiel ein schwacher Lichtschein. Lorin erkannte, dass er wohl in einer streng riechenden Abstellkammer gelandet war. Um keinen Verdacht zu erwecken, schob er den Stein zurück in die Lücke, ehe er sich zur Tür tastete.
Vorsichtig öffnete er sie und glitt hinaus. Seinem ersten Eindruck nach zu urteilen befand er sich in einem recht kostspielig eingerichteten Haus.
Kein Wunder, dachte Lorin. Hier kann sich der pelzige Dieb in Hülle und Fülle bedienen. Staunend setzte er den Weg fort und gelangte in eine geräumige Halle. Der Reichtum der Familie, die in diesem Gebäude lebte, war nicht zu übersehen.
Ein leises Tippeln ließ ihn herumfahren, gerade noch rechtzeitig, dass er das Tier in einem Durchgang unter der Treppe verschwinden sah.
Inständig hoffte der Knabe, dass keiner der Hausbewohner erschien. Er würde sein Erscheinen kaum glaubhaft erklären können; der Verdacht, dass der nicht eben betuchte Fremdländler eingebrochen war, um sich am Besitz anderer gütlich zu tun, lag wesentlich näher als der wahre Grund.
Lorin folgte dem Tier und erreichte eine Tür, an der unten eine Klappe angebracht war, durch die das Tier hindurchgehuscht war. Er ging weiter, stieg eine
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