Die Magie Des Herrschers
Verhältnisse immer noch milde.
Nun waren die Eisblöcke geschmolzen, ihr Tauwasser rann durch die Gossen in Richtung Hafen. Lorin betrat das Heiligtum und verlangte nach einem knappen Gebet danach, Kiurikka zu sprechen.
Die Hohepriesterin mit den leuchtend grünen Augen ließ ihn eine geraume Zeit warten, bis sie erschien, umringt von einigen ihrer niederen Predigerinnen. Die Kette mit dem fehlenden Stein trug sie wie stets um ihren Hals, eine stumme Anklage gegen Matuc und damit gegen Ulldrael, der auf indirekte Weise seine Schwester Kalisstra schmähte.
Die Gläubigen, die sich zur Andacht und für die Darbietung von Opfern in Form von Farbpulver in der Halle befanden, wurden unfreiwillig Zeugen des Geschehens.
»Du wolltest mich sprechen, Lorin?«, fragte Kiurikka huldvoll.
»Hohepriesterin, ich habe etwas für Euch, was Euch zeigt, dass die Bleiche Göttin meinem Ziehvater und mir die Verfehlungen vergeben hat«, sprach er. Nur mühsam unterdrückte er die Überschwänglichkeit in seinem Innersten. Am liebsten hätte er die Frau umarmt. Er langte in die Hosentasche, nahm die Dose heraus und schüttelte den Diamanten auf die Handfläche. Glitzernd brachen sich die Sonnenstrahlen in dem Stein. »Seht, die Bleiche Göttin hat mich den Stein finden lassen, den Ihr vor langer, langer Zeit durch das unbeabsichtigte Tun meines Ziehvaters verloren hattet.«
»Zeig her«, befahl die Hohepriesterin schnell und zweifelnd. Sie warf den Diamanten auf den Boden, die Spitze ihres silberverzierten Gehstabes hämmerte auf den Edelstein.
Jede Imitation wäre in tausend Splitter zersprungen, doch die Unversehrtheit des Steins bewies, dass es sich um einen echten Diamanten handelte. Mit zusammengezogenen Augenbrauen bedeutete Kiurikka einer ihrer Begleiterinnen, das funkelnde Kleinod aufzuheben.
Mit zittrigen Fingern setzte die Frau den Diamanten in die leere Fassung; er passte haargenau. Ein Raunen lief durch die Menge der Anwesenden; einige rückten sogar schüchtern nach vorn, um selbst Zeuge des Wunders zu sein.
Die Hohepriesterin wirkte keineswegs glücklich; mit aller Gewalt rang sie sich ein freudloses Lächeln ab. Ihre Rolle einer Märtyrerin war durch den Fund zu einem Ende gekommen. Nun konnte sie nicht anders, als dem »Fremdländler« seine Taten zu vergeben, wollte sie sich in Bardhasdronda nicht als unwürdig für ihr Amt erweisen.
»Da Kalisstra dir vergeben hat, verzeihe ich dir auch, Lorin. Und deinem Vater. Von nun an werde ich euch beiden mit dem gleichen Respekt begegnen, den ich allen anderen in der Stadt zeige.« Abrupt wandte sie sich um und verschwand durch den seitlichen Ausgang.
Das war alles? Der Junge stand im Heiligtum und konnte es nicht fassen. Diese schlichte Übergabe des Steins beendete die jahrelange Ausgrenzung, machte das zufällige Ereignis, das Matuc damals in Misskredit gebracht hatte, nun endlich vergessen.
»Habt ihr es gesehen?«, rief er und drehte sich erleichtert zu den Kalisstri um. »Die Göttin hat uns vergeben! Ich werde ihr die schönste Farbe opfern, die ich finden kann«, versprach er der Eisstatue und rannte hinaus.
Er konnte sich sicher sein, dass die Menschen, die alles mit angesehen hatten, die Kunde verbreiten würden. Und da manche ihm ohnehin schon freundlich zunickten, seit sein Einsatz für den Schwarzwolf bekannt geworden war, würden ihn nun gewiss alle Städter als normalen Jungen ansehen. Mal abgesehen von meiner Magie. Aber das ist nicht schlimm. Nun gehören wir richtig in die Stadt, freute er sich und lief zum Hausboot, um die Neuigkeit zu erzählen.
Matuc, der sich im Sessel von der Arbeit in den Gewächshäusern ausruhte und im Kreis seiner Anhänger über die Lehren Ulldraels referierte, wirkte erleichtert über den Erfolg seines Ziehsohnes.
»Es ist gut, dass du den Diamanten gefunden hast«, meinte er. »Denn es zeigt den Menschen, dass sich Ulldrael und Kalisstra verstehen. Somit wird es ihnen leichter fallen, sich mit dem Gott zu beschäftigen, der sie den Winter ohne Hunger überstehen ließ. Und dich werden sie ebenfalls mit anderen Augen betrachten.«
»Das wird noch besser, wenn ich erst Türmler geworden bin«, nickte Lorin begeistert; die Hochstimmung, in der er sich befand, fühlte sich unbeschreiblich an. Seine Siegessicherheit in Anbetracht des bevorstehenden Kampfes würde ihm niemand ausreden können. »Rantsila zu schlagen wird nicht leicht, aber ich schaffe es.« Und weil er gerade am Berichten war, musste er seinem Ziehvater
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