Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
ignorierte ihn, doch die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Wie alt ist der Gang?«
Raji warf ihm einen schiefen Blick zu, als wollte er sich vergewissern, dass auf die Worte keine Prügel folgten. Grigáns reglose Miene schien ihn zu beruhigen.
»Keine Ahnung. Mein Großvater benutzte ihn schon vor über fünfzig Jahren. Als ich vor einigen Jahren den dritten Keller aushob, fand ich eine romische Speerspitze. Vielleicht stammten einige der Tunnel noch aus der Zeit der Zwei Reiche.«
»Das ist mehr als acht Äonen her«, mischte sich Rey ein. »Eine lange Zeit …«
»Arbeitet Eure Familie schon immer als Schmuggler?«, fragte Grigán verwundert.
»Seit der Zeit meines Großvaters«, antwortete Raji stolz, da er die Frage falsch deutete. »Aber niemand hat es so weit gebracht wie ich!«
»Eines Tages werdet Ihr auffliegen«, sagte Grigán ungerührt. »Irgendwann werdet Ihr leichtsinnig.«
»Raji gibt dem Steuereintreiber etwas von seinem Gewinn ab. Es heißt, er sei nicht knauserig.«
»Du musst es ja nicht gleich in der Welt herumposaunen«, zischte Raji.
»Wo führen die anderen Gänge hin?«
»Nach Lorelia, wie dieser, oder in die Umgebung. Was spielt das für eine Rolle? Die meisten sind unpassierbar, weil die Decke eingestürzt ist, oder aber jeder kennt sie, selbst die Miliz. Mein Großvater grub sechs Jahre lang an diesem hier. Vor Jahren schon habe ich alle Seitengänge zugemauert. Ich hatte noch nie Schwierigkeiten. Jedenfalls nicht, bis Ihr aufgetaucht seid.«
»Jemand könnte eine der Mauern einreißen und Euer Lager plündern.«
Raji runzelte die Stirn. Die Ideen dieses Grigán gefielen ihm ganz und gar nicht.
»Man kann niemandem vertrauen«, brummte er.
Rey begann zu lachen und prustete eine ganze Weile vor sich hin. Grigán fand es beklemmend, wie sein spöttisches Gelächter in dem dunkeln Gang widerhallte. Mittlerweile bereute er, Rey mitgenommen zu haben.
»Rey sagte mir, der Tunnel ende im Keller einer Herberge. Gehört sie Euch?«
»Ich glaube nicht, dass mir der Sinn danach steht, Eure Fragen zu beantworten. Ihr übernachtet bei mir, Ihr begleitet mich gegen meinen Willen nach Lorelia, aber Ihr könnt mich nicht zwingen, für Eure Unterhaltung zu sorgen.«
Raji hatte all seinen Mut für diese Tirade zusammengenommen. Er legte sich in Gedanken bereits ein paar saftige Flüche zurecht, die er Grigán an den Kopf werfen wollte, sobald dieser sich auf ihn stürzte.
Rey wurde von einem weiteren Lachkrampf geschüttelt. Diese Leute sind völlig von Sinnen, dachte Raji.
Grigán hatte große Lust, dem kleinen Mann mit dem stinkenden Atem sein Messer an den Hals zu halten, um eine Antwort zu erzwingen. Er hielt sich nur aus Rücksicht auf Corenn zurück. »Ich wüsste nur gern«, sagte er mit einer Selbstbeherrschung, deren er sich nicht für fähig gehalten hätte, »ob wir mitten in eine Zusammenkunft von Brüdern hereinplatzen, die gleich losrennen und uns die Gilde auf den Hals hetzen.«
»Brüder gibt es da schon«, sagte Raji mit einem frechen Grinsen. Als er Grigáns kalten Blick sah, setzte er hastig hinzu: »Aber nur meinen Partner und seine beiden Gehilfen. Das sind gute Leute. Seid unbesorgt, Meister Grigán.«
Der Krieger fixierte den kleinen Mann schweigend.
In seinem geschwächten Zustand und angesichts der komplizierten Gefühle, über die er sprechen wollte, fand Bowbaq manchmal im Itharischen nicht die richtigen Worte. All seine Gefährten beherrschten die Sprache der eurydischen Religion besser als er. Bis heute war das nie ein Problem gewesen.
Wenn er über ein Wort stolperte oder nach einer Wendung suchte, wartete Léti geduldig, bis er seine Gedanken geordnet oder den Satz umformuliert hatte. Sie verstand auch so, was er sagen wollte. Seit die Züu sie und ihre Tante auf einem einsamen Weg im Osten Kauls umzingelt hatten, kannte sie dieses Gefühl.
Bowbaq hatte Angst vor dem Tod oder vielmehr davor, ermordet zu werden und durch die Hand unbekannter Krieger zu sterben, fremder Männer, denen er nichts zuleide getan hatte. Er fürchtete sich davor, die Welt auf eine so sinnlose Weise zu verlassen, und war verzweifelt.
»Tiere sind zivilisierter als Menschen«, sagte er und starrte an die Decke. »Sie töten nur, um sich zu ernähren, sich zu verteidigen und ihr Territorium oder ihre Jungen zu schützen. Mein Löwe Mir würde niemals einen Unbekannten angreifen, nur weil ich es ihm befehle, auch nicht, wenn ich ihm eine Belohnung dafür
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