Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
schloss er nicht ganz aus, dass sie ihn auf den Arm nehmen wollte.
Sie schlug vor, ihm Unterricht in Magie zu geben!
Sie hatte ihm soeben bewiesen, dass es Magie gab. Allein der Anblick der schwebenden Münze hatte ihn in Begeisterung versetzt, und er konnte kaum fassen, dass Corenn zu jenen außergewöhnlichen Menschen gehörte, die unsichtbare und geheimnisvolle Kräfte lenken konnten. Dass sie ihm nun auch noch vorschlug, ihr Wissen mit ihm zu teilen, war mehr, als er an einem Tag verkraften konnte.
Corenn wartete auf seine Antwort, belustigt von der Wirkung ihrer Frage. Yan öffnete den Mund, bewegte die Lippen, bekam aber kein Wort heraus. Er räusperte sich und nickte dann langsam, um ihr zu bedeuten, dass er das Angebot annahm.
»Schön«, sagte sie, als hätte er soeben entschieden, was er zu Abend essen wollte. »Dann haben wir einiges zu besprechen.«
Yan ließ sich ins feuchte Gras plumpsen, ohne sich an der Nässe zu stören. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf Corenn gerichtet. Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf, dass die Ratsfrau ihm tatsächlich Unterricht in Magie erteilen wollte. Er fragte sich, wann er aus diesem Traum erwachen und Corenn ihm lachend gestehen würde, das alles sei nur ein schlechter Scherz gewesen. Doch der Traum ging weiter. Er war genauso aufgeregt wie am Vortag, als er vor der großen Pforte von Ji gestanden hatte.
»Aber ich muss dich warnen. Es ist keinesfalls sicher, dass ich dir überhaupt etwas beibringen kann. Nur wenige Menschen haben die Gabe der Magie, und noch weniger können sie kontrollieren. Möglicherweise besitzt du sie, kannst sie aber nicht gebrauchen. Es kann auch sein, dass du überhaupt keine magischen Fähigkeiten hast, so wie die allermeisten Menschen. Mach dich also auf eine Enttäuschung gefasst.«
Yan nickte, doch ihre Worte konnten seine Freude nicht trüben. Noch nie hatte er so viel Interesse für eine Sache aufgebracht, bei keinem seiner Meister. Er war schon jetzt Corenns eifrigster Schüler, und das so sicher, wie die Sonne jeden Morgen aufging. Bisher war er bei einem Schmied, einem Tischler, einem Bauern und einem Fischer in die Lehre gegangen, stets aus Langeweile oder Notwendigkeit. Die Magie hingegen würde er aus Leidenschaft lernen, so viel stand fest.
»Weißt du, warum ich dich unterrichten will?«, fragte Corenn.
Yan musste nicht lange nachdenken. Seine Gedanken überschlugen sich, und der Nebel, der über einigen seltsamen Geschehnissen der vergangenen Nacht lag, lichtete sich. Die Antwort lag auf der Hand. »Wegen dem, was auf der Klippe passiert ist. Léti zu retten war unmöglich. Und doch habe ich es geschafft. Ich meine - sie lebt noch«, verbesserte er sich bescheiden.
»Du bist schlau, Yan«, sagte sie und sah ihn prüfend an. »Sehr schlau. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich begriffen habe, was du da getan hast. Und du hast ein großes Herz.«
Yan errötete bis in die Haarspitzen. Er war es nicht gewohnt, Komplimente zu bekommen. Schade, dass Léti Corenns Worte nicht gehörte hatte. Und erst Grigán …
»Leider ist das noch kein Beweis dafür, dass du die Gabe besitzt. Wir nennen sie den Willen. Es hat nichts damit zu tun, ob man klug oder dumm ist, gebildet oder ungebildet, jung oder alt, ehrlich oder verlogen. Natürlich auch nicht damit, ob man eine Frau oder ein Mann ist. Man hat sie, oder man hat sie nicht. So ist das. Man kann es nicht ändern. Verstehst du?«
»Ihr meint, man muss sich nicht schämen, wenn man die Gabe nicht hat.«
»Mutter Eurydis, wenn alle, die ich bisher der Prüfung unterzog, so hellsichtig wie du gewesen wären, hätte mir das viel Kummer erspart.«
»Eine Prüfung«, wiederholte Yan. »Worin besteht sie?«
Er zitterte vor Ungeduld. Corenns Warnung hatte ihre Wirkung nicht verfehlt: Er machte sich auf eine Enttäuschung gefasst, und gerade deshalb wollte er so schnell wie möglich Gewissheit haben.
»Ich kann nicht spüren, ob du die Gabe hast oder nicht, falls du das glaubst. Die einzige Möglichkeit, herauszufinden, ob du einen magischen Willen hast, besteht darin, ihn zu gebrauchen.«
Corenn beugte sich vor, nahm Yan die Drei-Königinnen-Münze aus der Hand und stellte sie mit der schmalen Seite auf den Boden. Yan fürchtete sich vor dem, was nun kommen musste.
»Du bist dran«, sagte sie. »Versuch, die Münze umzustoßen.«
Rey konnte sich nicht mehr entsinnen, warum er Grigán unbedingt hatte begleiten wollen. Es lag nicht daran, dass er sich fürchtete,
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