Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
wird schon gut gehen.«
Er drehte sich zu ihr um. Er hatte die Fäuste geballt, seine Armmuskeln spannten sich straff unter dem Leinenhemd. Seine Lippen waren zu einem Zähnefletschen verzogen, und er brüllte: »Nein, das wird es nicht! Er wird dich so weit verdrehen, bis du nicht mehr weißt, in welche Richtung du gehst, und dich dann gleich neben Binns von einem Galgen baumeln lassen!«
Mehrere der Männer blickten vom Hauptdeck her auf; das Geschrei hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Falkin starrte Shadd entsetzt an. »Sprich leiser.«
»Warum?«, blaffte er. »Damit du so tun kannst, als wüsstest du, was du tust? Damit du behaupten kannst, es hätte dich niemand gewarnt?« Er baute sich neben ihr auf, legte eine Hand auf das mächtige Steuerrad und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »McAvery stinkt nach Lügen. Hast du bemerkt, dass keiner aus der Mannschaft gern in seine Nähe kommt? Du selbst hast ihnen erzählt, wie er unseren Kapitän den Gefängniswärtern an die Hand geliefert hat. Und nach seiner Stimmgabel da zu urteilen verfügt er über Magie. Magie, Kin, weißt du? Du verabscheust sie doch verdammt nochmal von ganzem Herzen. Du dachtest, du hättest das für dich behalten, aber es gibt keinen Kerl an Bord, der es nicht weiß! Und was ist mit deinem mitternächtlichen Besuch? Kein Mann, der noch nicht davon gehört hätte. Was habt Ihr beiden da drin getan, die beste Reiseroute besprochen?«
Falkin stand der Mund halb offen, und sie verschloss die Lippen wieder, bevor noch etwas hereinfliegen konnte. Der Klatsch hatte sich wie ein Lauffeuer in der kleinen Gemeinschaft an Bord des Schiffes verbreitet. Der arme Shadd war eifersüchtig – aber nicht auf die Weise, wie sie gedacht hatte. Er war ihr einziger Vertrauter und Unterstützer gewesen. Vielleicht hätten sie dieses Gespräch jetzt gar nicht geführt, wenn sie ihm am Morgen danach alles erzählt hätte. Aber wie sollte sie ihm denn sagen, dass sein Kapitän gar kein Pirat war, dass er dagegen für das Gesetz gearbeitet hatte, das Shadd so verachtete? In seinen Augen betrog sie ihn.
»Nichts hiervon ist so, wie es scheint«, sagte sie langsam und wählte ihre Worte sorgfältig. »Ja, ich habe McAvery in seiner Zelle besucht. Ich habe mit ihm gesprochen, das ist alles. Ich musste wissen, warum er getan hatte, was er getan hatte.«
Shadd zog eine Augenbraue hoch. »Und jetzt weißt du’s? Aber du erzählst es mir nicht. Wirklich reizend!«
»Glaubst du mir etwa nicht?«
»Ich frage mich, ob du wohl vergessen hast, worum es uns eigentlich geht, weil dein Verstand so mit einem hübschen Gesicht angefüllt ist, dass kein Platz mehr für irgendjemanden sonst darin ist.«
»Zum Beispiel für dich?«, schleuderte sie ihm in einer Aufwallung von trotzigem Ärger entgegen, der gerade an die Oberfläche drang. Er schüttelte den Kopf.
»Zum Beispiel für Binns.«
Die Worte kränkten sie, sie waren eine verbale Ohrfeige für die zärtlichen Gefühle, die sie seit Tagen offen zur Schau getragen hatte. »Wie kannst du es wagen?«, knurrte sie. »Alles, was ich getan habe, ist für Binns geschehen. Ich bin die einzige Person auf diesem Schiff, der es auf sein Leben überhaupt ankommt. Der Rest von euch will doch nur jemanden, dem ihr die Schuld zuschieben könnt, wenn die nächste Kaperfahrt schiefgeht!«
»Zur Hölle, Kin, ich habe einen Degen ins Gedärm bekommen, das hätte mich verdammt nochmal beinahe umgebracht! Du glaubst doch nicht, dass ich das für die Aussicht auf Gold getan habe?«
Sie schob mit zusammengebissenen Zähnen seine Hand vom Steuerrad weg. »Ich habe nicht vergessen, was du getan hast. Ich bin dankbar – sogar dankbarer, als ich es ausdrücken kann. Aber erzähl mir nicht, dass ich das hier nicht auf meine eigene Weise erledigen kann, weil du einem Mann mit einem Degen nicht schnell genug ausweichen konntest!«
Er packte sie an den Schultern. Binnen eines Augenblicks schlug sie gedankenlos zu, boxte ihn in den Bauch. Er ließ sie los, krümmte sich, stolperte rückwärts und würgte.
»Shadd!« Sie packte ihn am Ellenbogen und half ihm, sich hinzusetzen. Er atmete schwer, fluchte und hielt sich den verletzten Unterleib. Unter seinen Fingern begann Blut hervorzusickern, das seine Tunika befleckte.
Falkin rannte an den Rand des Achterdecks. »Holt Jaques!«, brüllte sie und zeigte auf die beiden nächstbesten Männer. »Sofort!« Sie kehrte an Shadds Seite zurück. Er lag ausgestreckt auf dem Holz, aber seine Augen
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