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Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Die Magierin des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Misty Massey
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hatte.
    »Kapitän?«
    Jarvis’ Gesichtsausdruck wirkte so verunsichert wie sein Tonfall. Sie schüttelte den Kopf und versuchte, die unheilvollen Schatten zu verscheuchen, die sie zu übermannen drohten. Sie ließ den blutigen Arm sinken, so dass er nicht mehr direkt in ihrem Gesichtsfeld lag.
    »Mir geht es … gut. Du hältst uns auf Kurs. Ich bin inzwischen für eine Weile in der Kajüte.« Falkin sprang die Leiter herunter, bevor er sich noch mehr Fragen einfallen lassen konnte. Weder zögerte sie, noch sah sie zu McAvery hinüber; stattdessen marschierte sie geradewegs zur Tür ihrer Kajüte.
    Drinnen war alles kühl und schattig. Sie seufzte, genoss die kurze Atempause, die ihr die Einsamkeit gewährte, und zog sich das Hemd über den Kopf. Dann warf sie es entschlossen in die Ecke, zog ein frisches Hemd über, setzte sich auf die Bettkante und stützte das Gesicht verzweifelt in die Hände.
    Sie hatte Shadd geschlagen. Ihn geboxt, kräftig, und auch noch direkt in den Bauch. Er hatte nur versucht, ihr zu helfen, sie erkennen zu lassen, was für einen Fehler sie damit beging, McAvery zu vertrauen. Vor Kurzem erst hatte er einen Degen in den Unterleib bekommen und war beinahe gestorben, und dies alles ihretwegen. Und so dankte sie es ihm: indem sie ihn schlug und die Wunde wieder aufriss. Er hätte oben auf dem Achterdeck verbluten können – und es wäre allein ihre Schuld gewesen.
    Rum. Sie ging zur Anrichte, riss den Verschluss aus der Rumkaraffe und goss sich einen Becher ein; dann ließ sie sich auf den Stuhl am Tisch sinken. Die Pflanze stand noch immer genau an der Stelle, wo Falkin sie vor Tagen abgestellt hatte, und verspottete sie mit ihrem Schweigen. Falkin sah sie mit zusammengekniffenen Augen an; die Schwellung im Mittelpunkt der Pflanze schien sich noch verstärkt zu haben. War sie in letzter Zeit gegossen worden? Sie kippte ihren Becher über den Rand des Topfes und ließ den Rum in die Erde strömen.
    »Offenbar steckt weit mehr in dir, als man dir ansieht«, flüsterte sie. »Ich frage mich, was du wohl bewirken kannst.«
    Sie streckte die Hand aus und streichelte das glänzende, grüne Blatt. Es fühlte sich an wie jede andere Pflanze auch, die sie je berührt hatte. Das konnte einfach nichts Magisches sein.
    Wenn es nur einen Weg gegeben hätte, dies herauszufinden. Ihre eigene Begabung war leider so gering. Sie hatte sie ihr ganzes Leben lang sehr im Zaum gehalten, weil sie immer befürchtet hatte, von jemandem, dessen Geldgier größer war als seine Loyalität zur Mannschaft, an die Bruderschaft verschachert zu werden. Es gab Geschichten über Magi, die Menschen in Tiere verwandeln oder durch den Himmel fliegen konnten. Sicher musste es eine Möglichkeit geben, die Fähigkeit einzusetzen, um echte Magie aufzuspüren. Vielleicht würde die Pflanze auf irgendeine Weise reagieren, wenn Falkin eine kleine Melodie pfiff.
    Sie biss sich auf die Lippen und warf einen Blick über die Schulter. Die Tür war verschlossen, sie hatte den Riegel vorgelegt. Also würde niemand etwas bemerken.
    Falkin leckte sich die Lippen, befeuchtete sie gerade genug, schürzte sie dann und pustete sanft. Ein leiser Ton drang zwischen ihren Lippen hervor, hoch und dünn zwar, aber doch hörbar. Sie leckte sich die Lippen noch einmal und versuchte, den Ton zu verändern, eine einfache Melodie zu pfeifen.
    Schmale Energiewellen kribbelten über ihre Haut, unsichtbare Funken tanzten um sie her und nahmen die Gestalt von Fingern an, die von ihr weggriffen. Die Vorhänge über dem Fenster begannen zu flattern, und sogar das Bettzeug erschauerte.
    Auch die Pflanze zitterte; ihre Blätter wippten in der Brise, die Falkin schuf. Der Topf wurde durchgerüttelt; winzige Erdklumpen sprangen daraus hervor und landeten auf dem Tisch. Falkin starrte die Verzweigung der kleinen Pflanze an, die Verdickung zwischen ihren beiden Hauptstämmen, und unter ihrem Blick wölbte sich die Schwellung noch weiter. Nur ein kleines bisschen, aber sie veränderte sich eindeutig, sie wuchs.
    Falkin ging die Puste aus; sie schlug sich eine Hand vor den Mund. Eine Kälte durchströmte ihren Körper, als die Panik über das, was sie getan hatte, einsetzte. McAvery hatte gesagt, dass der Zeitfaktor wichtig sei, dass die Frucht nur genießbar war, solange sie noch am Ast hing. War die Schwellung etwa eine Knospe, die sich da herausbildete? Dadurch, dass sie nun aus reiner Neugier ihr Spiel damit getrieben hatte, hatte sie vielleicht das, was geschehen

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