Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
erhalten. Aber wenn ich ihn übergebe, wird das Angebot, die Thanos aufzugeben, weitaus überzeugender wirken. Außerdem nehme ich ihn lieber mit und werde ihn so bald wie möglich los.«
»Ihn loswerden. Vernünftig.« Shadd sah sie nicht an; er hatte den Blick gesenkt. Sie hatte noch nie erlebt, dass er sich so seltsam benahm. Der gewöhnlich so laute Kanonier war auf rätselhafte Weise einem Mann gewichen, den sie nicht wiedererkannte.
»Spuck’s schon aus, Shadd. Was liegt dir auf der Seele? Weißt du irgendetwas über ihn, das ich nicht weiß?«
»Mir gefällt’s nur einfach nicht, dass du so ganz mutterseelenallein mit ihm sein wirst.«
Shadd war vieles – kühn, geradeheraus und laut – aber so hatte sie ihn noch nie erlebt: Zögernd, nervös … und nicht bereit, ihr in die Augen zu sehen. Nicht nur besorgt, ob ihr Plan funktionieren würde, sondern auch darum, wer bei ihr wäre. Er benahm sich fast … eifersüchtig.
Falkins Schultern spannten sich an, und sie packte das Steuerrad so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Die Bürde, die sie auf dem Hauptdeck zurückgelassen zu haben glaubte, kehrte zurück und legte sich wie ein gewaltiger Albatros auf ihre Schultern. Von all den Männern an Bord war Shadd einer der wenigen, denen sie vertraute. Er war ihr immer Freund und Bruder gewesen, der Hüter ihrer Geheimnisse. Wenn er sie je angesehen und dabei an ein Liebesabenteuer gedacht hatte, hatte sie es jedenfalls kein einziges Mal bemerkt. Und er hatte sich ganz gewiss den ungeeignetsten Zeitpunkt ausgesucht, um seine Gefühle kundzutun. »Shadd«, sagte sie so sanft sie nur konnte. »Ich weiß es zu schätzen, dass du mich beschützen willst. Du bist immer sehr gut zu mir gewesen. Du hast mir den Rücken freigehalten, mich ausgebildet, bis ich mich selbst verteidigen konnte. Irgendwann wirst du einmal eine Frau sehr glücklich machen, und dann werde ich mit dir jubeln.«
»Wovon redest du da?« Verwirrt zog er die Stirn kraus. »Was für eine Frau? Ist noch jemand an Bord gekommen, während ich bewusstlos war?«
»Nein, niemand sonst. Ich meine nur …« Sie hielt inne, unsicher, was sie als Nächstes sagen sollte. »Ich will nicht, dass du dir Sorgen um mich machst.«
»Zu spät, Mädchen.« Er trat an die Reling und starrte übers Wasser, statt sie anzusehen. »Ich kann einfach nicht anders, als mir Sorgen zu machen, wenn du auf solche Gedanken kommst.«
»Aber du weißt doch, dass ich auf mich selbst aufpassen kann. Wenn deine Gefühle dich ablenken«, sagte sie, »musst du sie eben beiseiteschieben.«
»Was für Gefühle denn jetzt?« Er drehte sich um, um sie anzusehen, die Augen vor Erstaunen weit aufgerissen. »Du dachtest wohl, ich würde gestehen, dass ich …« Sein Gesicht wurde rot, und er ließ den Kopf hängen.
Die Pulsader an Falkins Schläfe pochte, und sie hob die Hand, um den Schmerz wegzureiben, der dort plötzlich zum Leben erwachte. Als wäre ein bloßes Missverständnis nicht schon schlimm genug, hatte sie auch noch übereilt erniedrigende Schlüsse ziehen müssen. »Shadd, die drei Tage waren sehr lang. Worüber sprechen wir eigentlich?«
Er sah sie nicht an, aber sie bemerkte, wie die Röte aus seinen Wangen wich. »Ich weiß nicht, wovon du redest, aber ich meinte ihn.«
»Wen, ihn?«
»Deinen hübschen Kerl da, den du ans Schiff gekettet hast. Deinen McAvery.«
»Er ist nicht mein irgendwer.« Dieses Gespräch begann ihr allmählich auf die Nerven zu gehen. Wenn ihr Oberkanonier nicht von Eifersucht verzehrt wurde, dann wusste sie auch nicht, was mit ihm los war. Soweit ihr bekannt war, hatte Shadd noch nicht einmal mit McAvery gesprochen, also konnte er auch nichts wissen, was sie nicht schon selbst herausgefunden hatte. Da kam ihr ein Gedanke.
»Du hast doch nicht etwa mit Dreso über ihn gesprochen, oder?«
Er schlug mit der flachen Hand klatschend auf die Reling. »Du hast dich auf den armen Dreso eingeschossen, aber du verstehst gar nicht, worum es geht! Dreso ist nicht derjenige, der vorhat, dir und damit uns allen wehzutun. Es ist vielmehr dieser hübsche Junge da drüben.«
»Ich habe keine Angst vor ihm.«
»Das weiß ich. Solltest du aber.«
Innerhalb eines Tages hatte ihr nun schon zweimal jemand gesagt, was sie tun sollte. Sie fühlte sich, als würde sie im Kreis herumgewirbelt werden. Wem sollte sie denn nun glauben? Und was konnte sie damit anfangen, sobald sie sich entschieden hatte?
»Er stellt keine Gefahr für mich da. Es
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