Die magische Höhle - Die geheime Kammer
lernt nie aus
Am nächsten Morgen hatte Julia nur einen Gedanken.
„Wir müssen mehr herausfinden“, wandte sie sich an Niklas. „Dazu müssen wir noch einmal in die Stadt.“
Sie hatten bereits dazugelernt. Diesmal achteten sie sorgfältig darauf, nicht unschlüssig in den Gassen herumzustehen, sondern sich unauffällig im Trott der Einheimischen mitzubewegen. Außerdem hatte Leonardo ihnen etwas anderes zum Anziehen gegeben. Aber nur vom Herumschlendern konnten sie auch nichts in Erfahrung bringen. Jemanden direkt zu fragen, was hier vor sich ging, war auch schlecht möglich. Auf dem Marktplatz schaute sich Julia angestrengt um. Ihr Blick blieb an einem Mann hängen, der mit einem dicken Holzhammer in der Hand vor der Baustelle der Kirche stand und anscheinend gerade eine Pause machte. Der Mann sah ganz nett aus und Julia beschloss, ihn möglichst unauffällig in ein Gespräch zu verwickeln.
„Guten Tag“, sprach sie ihn an. „Wir sind Kinder auf Pilgerfahrt. Ist das die berühmte Kirche, von der wir schon so viel gehört haben?“
Zu Julias Erleichterung schien sich der Mann über die Frage nicht groß zu wundern. Anscheinend kamen hier häufiger Pilger vorbei.
„So ist es“, erklärte er den beiden. „Und ich bin hier der Baumeister“, fügte er stolz hinzu.
„Ist die alte Kirche eingestürzt oder warum bauen Sie hier eine neue?“, wollte Julia wissen.
„Die alte Kirche ist zu klein geworden“, sagte der Baumeister. „In den letzten 10 0 Jahren ist die Stadt gewaltig gewachsen. Sie zählt jetzt bereits über 400 0 Seelen.“
„Das ist doch gar nichts“, meinte Niklas geringschätzig. Der Baumeister schüttelte tadelnd den Kopf.
„Dummer Junge, damit zählt sie zu den bedeutenden Städten des Reiches. Obwohl sie mit meiner Heimatstadt natürlich nicht mithalten kann.“ Na ja, wahrscheinlich konnte der Junge nicht mal bis tausend zählen. Wahrscheinlich wusste er gar nicht, was das ist, dachte sich der Baumeister.
Niklas kratzte sich am Kopf. Ihre mickrige Stadt war mal eine bedeutende Stadt gewesen? Kaum zu glauben.
„Wir bauen hier schon seit zwölf Jahren“, erzählte der Baumeister. „Es kann allerdings noch einmal zehn bis zwanzig Jahre dauern, bis wir fertig sind.“
„Noch so lange?“, fragte Niklas ungläubig nach.
„Ohne Turm natürlich“, antwortete der Baumeister. „Für den brauchen wir bestimmt noch einmal so viel Zeit.“ Dann seufzte er tief. „Wahrscheinlich dauert alles sogar noch länger. Das Geld für den Bau fließt immer knapper. Wenn es so weitergeht, muss ich fast mein ganzes Leben in diesem öden Ort verbringen. Als ich hierherkam, nannte man mich noch Ulrich von Strassburg, inzwischen heiße ich nur noch Ulrich, der Ungeduldige, weil mir hier alles zu langsam geht.“
Niklas warf einen forschenden Blick über die Baustelle. Dass man hier länger brauchte als heute, war klar. Sie mussten jeden Stein einzeln mit Ochsenkarren anschleppen und ohne Maschinen behauen. Trotzdem war es für ihn unvorstellbar, dass man tatsächlich ein halbes Menschenleben brauchen sollte, um so ein Bauwerk fertigzustellen.
„Der Burgherr schmeißt zwar gerne Geld zum Fenster hinaus, aber nicht für den Kirchenbau“, erklärte Ulrich. „Da war sein frommer Vorgänger ganz anders. Aber dieser Heinrich behauptet, er würde sein ganzes Geld ausgeben, um einen Kreuzzug zu bezahlen.“
„Glauben Sie etwa, das stimmt nicht?“, mischte sich Julia wieder ein. Meister Ulrich lachte kurz auf.
„Geld gibt der höchstens für seine wilden Feste aus. Das hängt den Leuten hier gewaltig zum Hals heraus.“ Jetzt wurde Julia klar, warum das fahrende Volk in der Stadt so unbeliebt war. Die Bürger der Stadt waren auf alle schlecht zu sprechen, die mit Heinrichs Festen zu tun hatten, auch auf die Künstler, die dort auftraten. Auch wenn die am wenigsten für Heinrichs Verhalten konnten.
„Ist es denn gar nicht gefährlich, so schlecht über den Burgherrn zu sprechen?“, fragte Julia, die sich nur zu gut an den verängstigten Mann erinnern konnte, den sie gestern getroffen hatten.
„Wie gesagt, ich bin nicht von hier“, meinte der Meister. „Mit seinen eigenen Untertanen kann Heinrich machen, was er will. Aber er wird es nicht wagen, mich anzurühren.“
Jetzt hatte Julia den Mann da, wo sie ihn haben wollte. Das Gespräch nahm genau die richtige Richtung.
„Ist dieser Heinrich denn wirklich so schlimm?“, fragte sie treuherzig nach.
„Der Kerl ist ein Verbrecher“,
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