Die magische Höhle - Die geheime Kammer
kein Gesindel!“, protestierte Niklas. Aber Leonardo lachte nur.
„Wir auch nicht“, sagte er gut gelaunt. „Aber das ist anscheinend Ansichtssache. Für die Leute in der Stadt sind wir es und das ist das Einzige, was hier zählt.“
Leonardo schlug ihnen vor, mit ihm zu kommen. Niklas und Julia hatten bestimmt keine bessere Idee. Außerdem waren sie froh, irgendwo unterkommen zu können. Erleichtert folgten sie ihm aus der Stadt. Leonardo gehörte zu einer Truppe von Gauklern und Artisten, die von Auftritt zu Auftritt durchs Land zog. Auf einem Feld vor der Stadt hatten sie ihr Lager aufgeschlagen. Da, wo jetzt das Friedrich-Ebert-Gymnasium steht, sahen Julia und Niklas schon aus der Ferne Wagen um ein Lagerfeuer stehen. Sie hörten Pferde wiehern.
„Wir sind fahrendes Volk und ziehen von Stadt zu Stadt und von Burg zu Burg“, erklärte Leonardo. „Leider sind wir dort immer nur so lange willkommen, wie wir auftreten. Ansonsten sind wir unerwünscht.“
Das hatten Niklas und Julia allerdings mitbekommen.
„Aber was hat euch um diese nächtliche Stunde in die Stadt getrieben?“, wollte Leonardo wissen. „Ohne Eltern und ohne euch auszukennen? Oder habt ihr keine Eltern mehr?“ Julia und Niklas schauten sich überrascht an. Keiner von ihnen hatte große Lust, zu antworten.
„Doch, schon“, druckste Julia schließlich verlegen herum. „Aber die Geschichte ist ein bisschen komplizier t …“
Leonardo grinste über beide Ohren. „Na ja, nicht so wichtig“, meinte er. „Wenn man ständig unterwegs ist wie wir, trifft man so manche Leute. Und viele behalten lieber für sich, woher sie kommen und wohin sie gehen. Sie werden schon ihre Gründe haben.“
Er blickte die beiden nachdenklich von der Seite an.
„Oder habt ihr an einem Kinderkreuzzug teilgenommen und seid noch einmal davongekommen?“, versuchte er es wieder.
„Blödsinn“, platzte es aus Niklas heraus. Er hatte keine Ahnung, was Leonardo meinte.
Doch der entgegnete: „Vor ein paar Jahren haben sich viele Kinder unserer Truppe angeschlossen, die sich auf ihrem Kreuzzug verirrt hatten. Dass sie auf uns gestoßen sind, war ihr Glück. Viele andere sind verschollen, etliche sind wahrscheinlich als Sklaven an die Sarazenen verkauft worden.“
Niklas machte ein bestürztes Gesicht. Hier schienen überall Gefahren zu lauern. Gefahren, wie er sie sich in seinen schlimmsten Albträumen niemals vorgestellt hatte.
„Na ja, ganz so gefährlich ist es in dieser Gegend zum Glück nicht“, beruhigte ihn Leonardo. „Obwohl die Behörden in dieser Stadt ganz besonders schlimm sind, wie ihr bemerkt habt.“
Niklas nickte heftig. „Genau, unserem Vater haben sie neulich auch einen Strafzettel verpasst“, entschlüpfte es ihm. „Völlig ungerechterweise, hat er gesagt.“
Julia trat ihm gegen das Schienbein. Sie hatte ihre Zweifel, ob es eine gute Idee war, Leonardo Geschichten aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert aufzutischen. Aber Niklas war gerade etwas schwer von Begriff.
„Er sollte Strafe zahlen“, fuhr er fort. „Aber Papa hat gleich Beschwerde eingelegt.“
„Ah, ich verstehe“, sagte Leonardo mitfühlend. „Er hat seine Strafe nicht bezahlt und da haben sie ihn dann in den Schuldturm gesperrt, wo er jetzt seine Schulden abbüßen muss. Müsst ihr zwei euch deswegen ganz alleine durchschlagen?“
Niklas machte ein so belämmertes Gesicht, dass Leonardo beschloss, ihn in Ruhe zu lassen.
„Na gut, geht mich auch nichts an“, meinte er. „Ich wollte ja eigentlich nicht mehr so neugierig sein.“
Niklas beschloss, in Zukunft besser aufzupassen, was er sagte. Oder genauer, in der Vergangenheit besser aufzupassen, was er sagte.
Als sie im Lager angekommen waren, hellte sich seine Stimmung schnell wieder auf.
Dort ging es eindeutig lustiger zu als in der Stadt, wo die Stimmung irgendwie eher gedrückt war.
Leonardos Truppe bestand aus ungefähr zwei Dutzend Leuten. Ihre sechs von kleinen Pferden gezogenen Wagen hatten sie bereits zu einer Wagenburg zusammengeschoben. In der Mitte brannte ein Lagerfeuer. Ein großer, von Ruß geschwärzter Topf mit Suppe dampfte über dem Feuer vor sich hin und verbreitete einen verführerischen Duft.
Ein junger Mann kam auf sie zu und begrüßte sie freudig.
„Wir haben uns schon Sorgen gemacht“, rief er Leonardo zu.
„Ich bin in der Stadt ein bisschen aufgehalten worden“, erklärte der. „Darf ich vorstellen, das ist mein kleiner Bruder Enzo, und das sind meine neuen Freunde
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