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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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in seinem Kopf ein schwimmendes Gefühl entstand. Kurz: er hob den Stock; er hielt ihn gebieterisch hoch; und während er der Droschke in den Weg trat, rief er kurz und schmetternd: »
Stop!!
«
     
    Wenn er sich nachher über seine Instinkthandlung befragte, so wußte er sich selbst keine befriedigende Antwort zu erteilen, außer der, daß er in einer hellseherischen Sekunde das ganze Schicksal, in das der Major Prendergast so unbekümmert und so von allen Göttern geblendet hineinkutschierte, vorausgeahnt habe.
    Der Major saß in der Droschke und war noch doppelt so betrunken wie im Theater. Ja, sein Rausch hatte jenen fragwürdigen, gefährlichen Grad, wo man wieder gerade sitzt und zusammenhängend redet, wenn zwar mit völligem Austausch des gewöhnlichen Ichs gegen eine fremde unsympathische Person, die ihre eigene Logik hat. Ein belferndes Tier ist das, das sich unseres Gesichtes und Körpers bedient; ein auf Vernichtung seines Gastgebers erpichtes Geschöpf, und dies sprach aus dem Munde des Majors: »
Go to hell, Goose-Step-Eddy. – What d'ye want to stop me for??
« – Und Herr Zinkeisen (während Energie und Aufregung sein sonst so flüssiges Englisch mit deutschem Akzent färbte) trat an den Wagen heran und sagte leise und beschwörend: »Schicken Sie doch das Gesindel fort, Herr. Begreifen Sie, was Sie machen?«
    – – – Wenn man behauptete, daß Mr. Prendergast für das, was ihm im Augenblick als Zerstreuung vorschwebte, äußerst gut versorgt war, so ging man nicht fehl. Denn er war durchaus nicht allein in der Droschke. Zunächst waren da seine Gelegenheitsfreunde aus dem Theater. Sie saßen ihm gegenüber und betrachteten voll verschmitzter Erwartung das Benehmen dieses Engländers, der sich auf dem Gipfelpunkt ausübender Macht bewegte. Prendergasts rassiges Profil rührte sich inmitten eines Knäuels von Leibern, die zwischen ihm und den gelben Kommissionären eingekeilt saßen oder lagen. Seine krähende Stimme, singend oder fluchend, erhielt Leben wach in diesem Betrieb.
    Ein etwa fünfzehnjähriger Chinesenknabe mit tintenschwarzen vergnügten Augen im Gesicht (einer von den Söhnen oder Gehilfen der Fergen, die auf ihren Sampans den Hafen beleben), saß auf des Majors linkem Knie und schmiegte seinen Arm, der weiß herausschimmerte, um dessen Schulter. Er war lediglich mit einer mattblauen zerfransten Leinenhose bekleidet. Sein Gegenstück auf der anderen Seite war eine jener feisten, teuren Matrosenmütter, in grellfarbig bedruckte Seide gewandet, die an den Fensterverschlägen zwischen den beiden Flußbrücken im Chinaviertel wie schillernde Kröten auf der Lauer liegen oder ihr Schleppgewand anspruchsvoll durch das Volksgewimmel der Bazararkaden ziehen, gefolgt von einer kichernden, gepuderten Heerschar, der sie tyrannisch gebieten.
    Es war ein Prunkstück von einer Priesterin ihres Gewerbes, und sie hatte diese erstaunliche Gelegenheit, eine sagenhafte Propaganda um sich zu verbreiten, offenbar dankbar ergriffen. Ihr mit blauen Schlänglein tätowierter Arm, von Messing- und Silberschmuck umzäunt, umfaßte gleichfalls den Rücken des Majors, und ihr Doppelkinn schaukelte befriedigt auf uferlosem Busen. Eine kleine Verdrossenheit schürzte ihre Lippen. Vielleicht bangte ihr vor der Möglichkeit, mit einem der Hindupolizisten zu kollidieren, deren scharlachrote Turbane zuweilen überraschend an den Straßenecken aufleuchteten. Hätte ein solcher die Bequemlichkeit dieser Reklamefahrt nicht auch in Frage gestellt?
    Außer diesen Vieren sah man in der Droschke noch zwei kleine Köpfe . . . Die halber Kinder, die wie Nestvögel die Hälse reckten. Doch die gaben so einen leichten Ballast ab, so daß sie die Ponypferdchen kaum beschwerten.
    Auf das gebieterische »
Stop
« Herrn Zinkeisens hielt der Kutscher jäh an, und die ganze menschliche Ladung wurde aufkreischend durcheinander gerüttelt. Der Engländer saß wie ein Ladestock inmitten all des elastischen Fleisches und dirigierte. Er amüsierte sich und hatte durchaus keine Lust, sich stören zu lassen. »
Go to hell,
« sagte er, »
you Godforsaken Dutchman!
« Aber seine Begleiter hatten den Europäer kaum gesehen, als sie sich voneinander lösten und herauslächelten. Es war ein Aufleuchten mehrerer kalkweißer Zahnreihen. – »Dieser Gentleman«, erklärte endlich der eine »Kommissionär« in schleppenden Lauten . . . »ist ein wenig lustig. Wir bringen ihn ins Hotel zurück.«
    »Den Teufel tut ihr«, sagte Herr

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