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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Feld.
    Was war der Grund? Nun, diese Leute waren englisch, man sah es ihnen an der Nasenspitze an. Das war an sich nichts Erschütterndes. Aber sie unterschieden sich von anderen dadurch, daß sie offenbar der obersten Schicht angehörten. Sie wirkten deplaciert hier, oder, richtig gesagt, dies ganze Hotel wirkte neben ihnen so. Sie gingen quer durch den Saal, ohne jemanden zu bemerken. Von allen Richtungen mit Blicken beschossen, zuckten sie mit keiner Wimper. Es waren Geschöpfe aus einer anderen Welt; sie hatten den Krieg gewonnen und benahmen sich darnach. Sie schritten dahin in einem Dunst von Reserviertheit, der nichts Irdisches hatte.
    Die Dame ging voraus. Sie trug einen schweren rotblonden Haarknoten, von schlichter Diamantspange zusammengehalten. Sie war schlank und wirkte durch Haltung größer als sie war. Ihr schaumweißer Rücken sowie die Brust waren tief ausgeschnitten, so daß der Oberkörper mit den nackt pendelnden Armen frei und beweglich seine Muskeln spielen ließ. Ihre Hände waren bis auf einen großen Saphir an der Rechten ebenfalls nackt. Sie trug ein Kleid aus nachtblauem Chiffon, das den Körper bis über die Hüften hinab mit tiefgelegter Taille knapp umschloß. Von den Lenden, im Gang knisternd geschaukelt, fielen gestärkte Faltenbäusche und endeten knapp über den Schnallenschuhen. Dies wie Schlangenhaut anliegende Kleid umriß die Kontur ihres stolzen Leibes ohne Vertuschung. Wo der Rand des Kleides beim Schreiten vorwärtsgeschleudert wurde, zeigten sich mattgraue Seidenstrümpfe. Die kleine hoffärtige Nase in die Luft gestreckt, die langen Wimpern über dunkelblauen Augen zum Ritz geschlossen, wandelte sie in der Luftlinie mit traumhafter Sicherheit des Hinsteuerns auf das zu, was ihr gehörte, jenes reservierte Tischchen, an dessen Seite wie ein Erzengel Herr Zinkeisen sich in würdiger Devotion postiert.
    Nicht genug daran, daß sie schon als Einzelerscheinung blendete: doppelt bestechend hob sie sich noch ab von der Folie des Mannes, der ihr folgte. Es war ein zwei Meter hoher gebräunter Mann mit einem schmalen, eckig vorspringenden Kiefer und ausladendem Hinterkopf, der von brünetten Strähnen, in denen sich graue Fäden zeigten, dünn überkämmt war. Im tropengelben Gesicht bekam das Blau seiner Augen schier etwas Milchig-Helles. Er ging mit zurückgeworfenem Kopf, Hände in den Hosentaschen, schlendernd hinter ihr – seine rechte Schulter. als wolle sie das Milieu ablehnen, war dabei in die Höhe gezogen. Zwei schwarze Perlen zierten seinen Hemdeinsatz; die Welt war augenscheinlich zu herabgesetzten Preisen für ihn käuflich.
    Beide wirkten nicht unbescheiden, sondern gleichsam gottgewollt. Jedenfalls stachen sie ab, auf so naiv selbstverständliche Art, daß sich in ihrem Kielwasser kein Tuscheln erhob, sondern es entstand nur ein kleines Schweigen. Dies Schweigen war selbst unter der Balalaika-Musik des Orchesters spürbar. Herr Zinkeisen verbeugte sich militärisch und wies die Plätze an. Die beiden setzten sich. Der Engländer ließ ein Grunzen hören, einen Mittellaut zwischen Resignation hinsichtlich des Milieus und Erwartung, und bestellte sich alsdann mit zweieinhalb Worten das Menu. Hierauf vertieften sich beide in das Studium der Weinkarte, und Herr Zinkeisen beugte sich mit deutendem Finger diskret über die linke Schulter der Frau. Bei dieser Gelegenheit stieg ihm ein flüchtiges Parfüm entgegen, das seinen ganzen Menschen durchrieselte, – er empfand es noch nicht bewußt. Noch war er viel zu beschäftigt damit, die kostbaren Gäste nach Gebühr zu würdigen . . .
    Die Dame brauchte einige Zeit, um den richtigen Rotwein zu finden. Zwischendurch konnten also Herrn Zinkeisens Blicke nicht umhin, leicht abzuschweifen und sich in Gegenden zu verlieren, die nicht unbedingt auf der Tagesordnung standen. Zunächst waren diese Schulterblätter und die Mulde des Rückgrats sehr bemerkenswert. Mit Anstrengung richtete er sich auf und ließ ein Räuspern in sich verklingen, das den Zweck hatte, ihn zu festigen. Ihm war zumute, als stehe er im Museum, nur durch dünnes Glas von Kostbarkeiten getrennt; doch Kontrolle ist bedrohlich in der Nähe . . . Nun, dürfen dann nicht wenigstens Blicke rauben? Solche kletterten mit äußerster Behutsamkeit über die Schultern in die Brust der Dame und verweilten eine Viertelminute länger darin, als Herr Zinkeisen es vor seiner Position verantworten durfte. Er sah zwei apfelrunde Brüste, leider nicht völlig

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