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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Aufsätze, die gewundenen Säulen; und da war ja noch, hurra, der »betende Knabe« aus galvanischer Bronze . . . Außerdem ertrank alles in Plüschquasten. Aller Orten blühten diese unzähligen Plüschquasten hervor, von den Vorhängen bis zum kleinsten Schemel hinunter. In diesem giftgrünen Meer von Plüschquasten hatte er schon immer zu ersticken vermeint. Durch diese verwitterte Mode geisterte der muffige Duft von Baldrian. Neben dem Sofa hatte die Greisin ein Tischchen mit drei Gläsern, einer kristallenen Wasserkaraffe und zwölf Fläschchen jeden Formates. Auch ein Türmchen von runden Pillenschachteln.
    »Nanu?« sagte er lächelnd und rieb sich das Kinn – »was sehe ich denn da? Wer will dich denn so vorzeitig ins Jenseits befördern, Tantchen?«
    Der Uhu knappte mit dem Schnabel. »Es könnte dir so passen, wenn das jemand wollte«, gab sie mit scharfer Schelmerei zurück.
    »Worum handelt sich's denn?« fragte er gleichmäßig aufgeräumt. »Und wer hat dir denn all das Zeug verschrieben?« (Toll, daß sie nicht einmal ihn zu Rate gezogen . . .)
    »Schlaflosigkeit –«, erwiderte sie und verlor auf einmal das kritisch Lauernde. »
In–som–nia
« . . . Sie sang die einzelnen Silben wie eine Liederstrophe. Schließlich ging das Wort in ein Jammern über. Ihre Augen blickten in ein Loch hinein: in Monate voll fruchtlosen, verzehrenden Grauens vor der Einsamkeit; in Monate voll bettelnder Sucht um den Balsam. »Doktor Ortmann tut eben, was er kann.«
    Er nahm die Medizinen in Augenschein. »Das ist ja alles labbriges Zeug, Tante. Das ist gut für kleine Kinder, nützt aber bei dir nicht mehr viel. Tja . . . Natürlich geht man zu einem Kollegen und vergißt ganz, daß man einen Neffen hat, der ebenso kompetent wäre . . .«
    Ihr Gesicht hatte sich in blitzschneller Umgruppierung aller Runzeln verwandelt. Sie lächelte, und es sah bei ihrem zahnarmen Mund unsagbar tückisch aus.
    »Nichts hab' ich vergessen. Aber bei lebendigem Leib, mein Lieber, laß ich mir noch nicht von dir das Fell über die Ohren ziehen.«
    Sein Kopf wurde heiß, aber er bezwang sich. Er saß im Schatten und seine Brille war vor seinen grauen Augen – sie konnte sie nicht sehen, diese Augen.
    »Nanu? Bin ich so teuer?«
    »Billig bist du bestimmt nicht.«
    »Schließlich muß ich mir meinen Namen bezahlen lassen. Das hat Kollege Ortmann noch nicht nötig. Also entweder – (er sagte es sehr gemütlich) – ich schröpfe dich ganz besonders kräftig – du kannst es ja gut vertragen – oder ich behandle dich umsonst.«
    Es kämpfte mächtig in ihren Zügen.
    »Umsonst!« hatte er gesagt.
    Ihr Lächeln verlor das Tückische; sie dachte; kalkulierte. Sie kniff den Mund zusammen und bemühte sich, seinen Ausdruck zu erhaschen. Dort saß er trostreich und Vertrauen erweckend – die Kapazität. Er verdiente offenbar gut. Er brauchte nichts von ihr.
    Wieder sah das Gespenst der Schlaflosigkeit sie an, die wimpernlose Maske, und durch den Raum schwang das Asthma von Monaten. Von Jahren. Und zugleich auch der herzklopfende Schreck, der sie versucht, mit den Fingernägeln an der Tapete hinaufzuklettern.
    Dies alles wollte er nun verscheuchen. Und er verlangte nichts dafür!
    In ihrer Gespanntheit setzte sie sich halb auf.
    »Sagst du das im Ernst?«
    »Was denn, Tantchen?«
    »Daß du mich umsonst behandeln willst.«
    »Freilich will ich das.« Es klang, als verschlucke er sich; er hüstelte. »Das liegt doch auf der Hand.«
    Sie fiel ungeheuer erleichtert auf das Kissen zurück. »Die Sachen vom Ortmann«, flüsterte sie nach einer Weile, »helfen nichts mehr.«
    »Das glaube ich. Weißt du was? Ich gebe dir ein Spritzchen, hin und wieder. Das schadet nichts und hält für Tage vor.«
    »Ernst,« sagte sie langsam, »so ein Spritzchen macht doch – – dumm?«
    »Dich nicht.« Er schien zum Scherzen aufgelegt. »Dumm macht es vielleicht Leute, die es von Natur aus schon sind. Dir nimmt es nur die Unruhe weg und bringt dir gesunden Schlaf.«
    »Gesunden Schlaf . . .« flüsterte sie. »Und sonst ist es nicht gefährlich?«
    Er schnalzte mit der Zunge am Gaumen. »Wenn du glaubst, daß es dir schadet, bekommst du es eben nicht. Aber dieser Kollege mit seinem Baldrian . . . Mir wird übel von dem Gestank! Daß du das aushältst!«
    »Also gut,« seufzte sie, »du mußt es ja wissen.«
    Schon die bloße Suggestion genügte . . .
    »Ich gehe in die Küche«, sagte er, »und mache es zurecht . . .«
     
    Er verließ das

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