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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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einem Zifferblatt.
    »Die Uhr!!« Ich schrie fast.
    »Allerdings«. sagte Kaps sehr stolz.
    »Teufel auch . . . Das ist seltsam . . .«
    »Nun, seltsam . . .« summte er; es war für ihn anscheinend eine Selbstverständlichkeit. – Wir traten nun vor das nächste Bild; das heißt er zog mich hin.
    »Ein nettes Raubtier, was? Hat die Schlacht von Pavia leidlich gesund überlebt; soll aber ein heidenmäßig kurzweiliges Leben geführt haben. Ich hab' über beide Herrschaften in meinen alten Schmökern nachgelesen. Er soff sich zu Tode, dieser Kumpan hier. Vorher hat er aber noch die Dame nebenan, unsere hübsche Freundin mit dem Fächer, stranguliert. Und dann weggeschafft, wer weiß wohin. Ob er das nur zur Unterhaltung tat, oder seine Gründe hatte . . . Ich neige übrigens dazu, ihm Gründe zuzubilligen. Die alte Chronik wispert da einiges. Daß sie ein Luder gewesen sein muß, sieht man ihr ja an . . .«
    Ein schwergeharnischter Kondottiere blickte uns entgegen. Er trug blonde Simpelfransen, die knapp über den buschigen Brauen wie gezirkelt abgeschnitten waren. Er trug seinen Helm wie ein Spielzeug in der Hand; die andere Pranke wühlte in den Nieten seines Brustpanzers, dicht oberhalb des schwarzen Lederetuis, das in brutaler Art sein Geschlecht markierte. Seine Lippen waren zum Strich geschlossen.
    »Lieber Freund Marbold«, sagte Kaps nach einer Weile, »jetzt kennst du die Bilder. Sie sind ekelhaft gut gemalt und wahrscheinlich ihr Stück Geld wert. Besonders die Violante (so hieß sie) tut es einem an; du weißt, ich bin ein versponnener Bursche . . .« Er ging weiter. Während er das Licht ausdrehte und wir über den Korridor wieder dem Wohngemach zustrebten, hörte ich seine eintönige Stimme fortfahren: »– und da setzt sich dann manchmal etwas fest . . . Kurz und gut –« Wir saßen wieder, und diesmal leistete eine große Karaffe Portwein uns Gesellschaft. »– Ich bin ganz froh, daß du da bist. Denn ehem, ich wollte doch erzählen . . .« Er nahm einen Schluck und schloß die Augen. »Ich bin so verdammt allein zuweilen. Da sitze ich neulich hier, wo ich jetzt sitze, und blicke, ohne was zu denken, nach der Uhr . . . und auf einmal fällt mir ein, sie ist ja auch auf dem Bild. Und wie ich das denke, steht sie vor der Uhr, genau wie auf dem Bild . . . verdeckt den unteren Teil, steht da – buchstäblich . . . verdammt, ich lüge nicht! Blickt mich an.« Er war ganz blaß.
    » Sehr erklärlich, Kaps«, meinte ich fröhlich. »Dein Portwein übrigens . . . Woher beziehst du den?«
    »Ach, von Lavery . . . Glaubst du wirklich, der Portwein . . .?«
    Ich fühlte mich immer behaglicher, ohne zunächst zu bemerken, daß ihm immer unbehaglicher wurde. Erst als er sich wieder im Sessel vorbeugte mit seinem tieferblaßten Primanergesicht, das sich vor einer Prüfung ängstigte, wurde ich etwas aufmerksamer. Sollte er am Ende nicht ganz . . . Wie?
    »Na, Alter,« sagte ich bieder, »und machtest du ihr den Hof?«
    »Ging nicht«, sagte er dozierend mit gerunzelter Stirn und ganz ernst. »Ich dachte zuerst, sie lächele mit offenem Mund . . . Aber dann kam ich dahinter, daß sie – keine Luft bekam! Oder vielmehr: daß die Luft ihr ausging; sozusagen aus ihr . . . herauspfiff . . .« Er sah mich mit aufgerissenen Augen an. Die Sache wurde mir allmählich zu bunt.
    »Hast du nicht –« fuhr er mit zitternden Lippen fort, »den Ton gehört, als du an der Uhr lauschtest, wie? Zinkenspielwerk, meinst du? Doch du weißt selbst, das war ein feiner Schrei, ein langer, qualvoller Schrei! Siehst du! – Ich konnte ihr nicht den Hof machen . . . aus diesem Grunde!«
    »Und dann?« Ich wurde selbst leicht erregt. Fand er nicht für mein eigenes Empfinden ein richtiges Wort? »Und was passierte dann? Was glaubtest du zu sehen?«
    »Sie wurde langsam in die Uhr (wie soll ich sagen?) hinein gesogen  . . . Sie verblaßte langsam in die schwarze Uhr hinein . . . Natürlich –« und er sank ächzend in den Stuhl zurück, nachdem er gierig ein ganzes Glas hinabgeschüttet – »natürlich sind das meine Nerven. Aber du begreifst jetzt, warum ich die Uhr los sein will.«
    Eine Pause folgte. Ich hatte meinen Gleichmut wiedergefunden; er hatte gesprochen wie auf der Bühne; doch weil er sonst ein so nüchterner Knabe war, hatte diese Tatsache mich leicht verwirrt. Jetzt aber rumorte der wirklich ausgezeichnete Portwein mir in den Adern; Unternehmungslust rührte

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