Die magische Maske
Finger. Sie nahm allen Mut zusammen und fragte Mikion unvermittelt: »Und wo sind die Scherben?«
»Genau«, stimmte Paseas ihr zu. »Wenn es wirklich so war, dann müssten doch hier vor dem Ofen die Scherben der Maske herumliegen!«
Verdutzt sah Mikion die Geschwister an. »Ihr drei haltet wieder zusammen, was?«, rief er aufgebracht. »Dann sucht die Scherben doch! Das ist das Mindeste, was ihr tun könnt. Wenigstens könnten wir dann die Maske zusammenkitten und hoffen, dass sie uns trotzdem schützt. Ich muss jetzt mit Andokides beraten, was wir noch tun können, um unsere Aufträge zu retten. Und du«, fuhr er seinen Sohn wieder an, »du bist im Haus, wenn ich zurückkomme.«
Damit ging er weiter über den Hof, betrat Andokides’ Werkstatt und schlug die Tür hinter sich zu.
Hegias blickte seine Freunde mutlos an. »Es hat keinen Zweck. Er glaubt mir nicht«, sagte er leise. »Aber ich hätte die Maske niemals zerstört. Ich brauche sie doch auch!«
Paseas und Iris musterten ihren Freund neugierig.
»Und wofür?«, fragte Paseas schließlich.
Hegias blickte sich um. Die Tür zu Andokides’ Werkstatt war verschlossen und außer ihnen war niemand auf dem Hof. »Ich habe eine Schale bemalt«, flüsterte er. »Mit einem Töpfer an der Drehscheibe. Smikros hat mir gezeigt, was ich machen muss.«
Smikros war einer der Sklaven, die bei Mikion als Vasenmaler arbeiteten, und sah so aus, wie er hieß: »klein«. Er hatte zusammen mit Andokides’ FrauElena mit großem Erfolg eine neue Technik ausprobiert, die jetzt immer beliebter in Athen wurde. Sie bemalten viele Gefäße nicht mehr so, dass die Figuren schwarz und die Hintergründe rötlich waren. Sie machten es genau anders herum. Die Gesichter der Figuren oder die Falten ihrer Gewänder wurden mit feinen Linien eingezeichnet und sahen dadurch vor dem schwarzen Hintergrund viel lebendiger aus.
Einen Vasenmaler zu besitzen, der beide Techniken beherrschte, war ein großer Vorteil. Smikros war ein Glücksgriff gewesen, als Mikion ihn vor zwölf Jahren auf dem Sklavenmarkt gekauft hatte.
Der Sklave kannte Hegias von klein auf. Als Einziger hatte er bemerkt, was für eine besondere Begabung der Junge besaß. Er konnte beides: Er konnte nicht nur mit Ton umgehen, er konnte die geformten Gefäße auch bemalen und wurde immer besser dabei.
»Bei allen Göttern!«, rief Iris verblüfft. »Du hast eine richtige Schale bemalt?«
Ein Lächeln huschte über Hegias’ Gesicht.
»Ja! Es sieht ein bisschen wackelig aus, glaube ich, wenn sie gebrannt ist. Ich kann eben Tiere besser malen als Menschen. Aber ich habe es geschafft.«
Vasenmaler mussten sehr genau arbeiten und das Bild, das entstehen sollte, im Kopf haben. Sie ritztenes mit einem Metallgriffel in den noch weichen Ton. Die Linien mussten sicher und glatt gezogen werden, denn zwischen ihnen wurde die Farbe aufgetragen. Beim Brennen verschwanden die geritzten Linien zwar fast ganz, aber vorher hatte sich die Farbe schon angepasst. Sie war nach dem Brennen tiefschwarz. Zittrige Linien sah man sofort.
»Was sagt dein Vater denn dazu?«, fragte Paseas bewundernd.
»Er weiß es noch gar nicht«, flüsterte Hegias. »Und ihr dürft es auch nicht verraten. Bis übermorgen.«
Iris schaute ihn fragend an, aber dann rief sie: »Mikions Geburtstag! Natürlich! Und du hast ihm …«
Rasch hielt Hegias ihr den Mund zu. »Nicht so laut!«, zischte er. »Sonst hört er es noch!«
»… die Schale bemalt!«, beendete Iris den Satz flüsternd. »Da wird er sich aber freuen!«
Das Lächeln verschwand aus Hegias’ Gesicht. »Vielleicht«, sagte er traurig. »Aber jetzt, wo die Maske weg ist und Vater auch noch meint, ich hätte sie zerbrochen …«
»Wisst ihr, was ich immer noch die ganze Zeit überlege?«, unterbrach Paseas ihn plötzlich. »Wenn du es nicht warst … bei den Göttern des Olymp, wer war es dann?«
Ein neuer Verdacht
»Moment mal!«, sagte Iris und drehte wieder eine Locke um den Finger.
Die Jungen warteten gespannt, was nun kam. Iris hatte sie schon oft mit guten Ideen überrascht.
»Also wenn jemand die Maske zerbrochen hat, wie hat er das gemacht?«, grübelte sie. »Hegias hat sie ja eindeutig nicht heruntergeschossen. Aber irgendwie muss der andere doch drangekommen sein!«
»Du hast recht!«, rief Paseas. »Sie hängt viel zu hoch, um sie einfach herunterzuholen!«
Er streckte die Hand aus und versuchte, an die Stelle heranzureichen, wo die Maske befestigt gewesen war. Aber
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