Die magische Maske
das bärtige Gesicht eines Satyrs, eines der Geisterwesen, die die Götter begleiteten. Sie schützte Hausund Hof vor Feuer, denn Satyrn gehörten auch zum Gefolge des Gottes Hephaistos, dem Gott des Feuers und der Handwerker.
Und Hephaistos musste man unbedingt besänftigen, damit er den Ofen und die Arbeit der Töpfer in Ruhe ließ und nicht alles in Brand setzte. Manchmal griff das Feuer sogar auf andere Häuser über und im Nu stand eine ganze Straße in Flammen. Ab und zu tat Hephaistos so etwas. Die Götter waren launisch, das wusste jeder in Athen. Und die Maske war der einzige Schutz, den die Töpfer gegen die Launen des Gottes besaßen.
»Seid ihr verrückt?«, wehrte Hegias sich verzweifelt. »Jetzt fangt ihr auch noch an! Es ist schon schlimm genug, dass Vater das glaubt! Das würde ich nie tun! Schon allein wegen Großvater und der Holzkohle!«
Die Familien der Kinder hatten schon immer auf die magischen Kräfte ihrer Maske vertraut. Und bisher hatte sie ihnen auch immer geholfen. Sogar damals, als Hegias noch nicht laufen konnte und über den Hof zu seinem Großvater gekrabbelt war. Der hatte ihn nicht gesehen und auch nicht gemerkt, dass hinter seinem Rücken ein glühendes Stück Kohle aus dem Ofen direkt vor seinen Enkel auf den gestampftenLehmboden des Hofes gefallen war. Hegias hatte nach dem feurigen Ding greifen wollen, aber es war knapp vorher in eine Pfütze gerollt.
Als der Großvater ein lautes Zischen hörte und sich erschrocken umdrehte, hatte er gerade noch gesehen, wie Hegias seine Hand zu der qualmenden, heißen Kohle ausstreckte. Da hatte er ihn schnell auf den Arm genommen. Und danach hatte er bei allen Göttern geschworen, dass der bärtige Satyr oben am Ofen ihm zugezwinkert habe. Seitdem bedeutete die Maske den beiden Töpfern noch mehr. Sie hatte bewiesen, dass sie mit ihrer Magie die Familien und ihre Arbeit schützte.
Iris betrachtete ihren Freund aufmerksam.
»Du hast sie wirklich nicht zerbrochen?«, fragte sie schließlich.
»Ehrenwort!«, bekräftigte Hegias. »Ich war es nicht und ich weiß nicht, wo sie ist.«
Auch Paseas warf ihm einen prüfenden Blick zu.
»Gut«, nickte er. »Aber wer war es dann?«
Die drei Kinder starrten noch einmal ungläubig auf den leeren hellen Fleck oben an der Ofenkuppel, wo die magische Maske befestigt gewesen war.
»Gestern war sie doch noch hier!«, überlegte Iris. »Oder?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Paseas ratlos. »Sie ist doch immer da. Ich habe nicht darauf geachtet.«
Hegias schüttelte den Kopf. »Ja, aber wer …«
»Da bist du ja immer noch!«
Erschrocken drehte Hegias sich um.
Mikion kam über den Hof. Er war groß und breit wie ein Bär. Sein dichter Haarschopf und der schwarze Bart, der sein Gesicht einrahmte, waren wie immer von rötlichem Tonstaub bedeckt. Das konnte er als Töpfer nicht vermeiden. Er war auf dem Weg zu Andokides’ Werkstatt, aber nun blieb er zornig bei den Kindern stehen.
»Ich habe gesagt, du sollst ins Haus gehen und dich nicht mehr blicken lassen, bis ich dich rufe!«, fuhr er seinen Sohn an.
»Aber ich habe doch gar nichts …«
»Schluss jetzt. Ich glaube dir kein Wort. Wer hat denn hier auf dem Hof Ball gespielt, obwohl das die dümmste Idee ist, von der ich je gehört habe? Und wer hat drei Amphoren dabei zerschlagen? Und es waren noch nicht einmal unsere, sondern die von Andokides! Wer sogar anderer Leute Arbeit mutwillig zerstört, macht auch vor sonst nichts halt!«
Mikion blitzte seinen Sohn empört an. Hegias versuchte noch einmal, sich zu verteidigen.
»Aber ich hab wirklich nichts getan!«, rief er.
»Ach was!« Mikion brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Du hast wieder mit deinem Ball gespielt und die Maske vom Ofen geschossen. Sie ist zerbrochen und du warst zu feige, es mir zu erzählen. Wie willst du jemals ein verantwortungsvoller Töpfer werden, wenn das so weitergeht? Jetzt können Andokides und ich nicht brennen und verlieren unseren guten Ruf. Wir werden nie wieder einen Auftrag für die Panathenäen-Spiele bekommen. Und das haben wir dir zu verdanken, leichtsinnig wie du bist!«
Hegias blickte seinen Vater fassungslos an. Wie sollte er ihm nur erklären, dass er nichts mit der Sache zu tun hatte?
Paseas und Iris hatten atemlos zugehört und sofort begriffen: Sie mussten alles tun, um Hegias zu helfen, den wahren Täter zu finden. Nur dann würde sein Vater seine Meinung über ihn ändern.
Iris drehte nachdenklich eine Locke um den
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