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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Abekke«, wandte Philippa ein. »Der Grieche Aristoteles lehrt, daß jedes Kraut zwei Gesichter hat. Der Medicus ist verantwortlich dafür, die heilenden Kräfte von den zerstörerischen zu scheiden. Aber er ist kein Allwissender und kann auch der Täuschung unterliegen. Wenn die Frau sich das Mittel des Arztes erschlich und dann ihrem Neugeborenen verabreichte, kann jener wohl kaum dafür zur Rechenschaft gezogen werden.«
    »Einer Täuschung scheint in diesen Tagen so mancher Gutgläubige zum Opfer zu fallen, meine Liebe! Vielleicht ist dies auch der Grund, warum heute, an einem Freitag, im Hause von Bora Fleisch auf den Tisch kommt!«
    Ein plötzlicher Hustenanfall des Gutsherrn unterbrach die Anspielung der Medewitzerin. Besorgt beugte sich Philippa über ihn, ohne Abekkes gerümpfte Nase oder Golfrieds finstere Miene weiter zu beachten, und bemühte sich, die stramm gezogenen Schnüre zu lockern, welche das Leinenhemd ihres Vaters über der Brust zusammenzogen.
    Unvermittelt bäumte sich der hagere Mann auf und stieß Philippa versehentlich so heftig gegen die Schulter, daß sie taumelte und mit der Hüfte gegen die Tischkante fiel. Das Mädchen stöhnte vor Schmerz, verlor aber nicht das Gleichgewicht. Fassungslos beobachtete Philippa, wie Golfrieds Fingern die Kanne mit dem Branntwein entglitt und hart auf den Holzdielen aufschlug.
    »Golfried …«
    Bebend trat der grauhaarige Diener von seinem Herrn zurück. Golfrieds Augen weiteten sich in unaussprechlichem Entsetzen, sein Gesicht wurde so weiß wie die Hand eines Bäckers im Mehltrog. Im gleichen Augenblick drang ein spitzer Schrei vom anderen Ende der Tafel an Philippas Ohr. Verstört drehte sie den Kopf und sah wie durch einen alles verzerrenden Nebel, daß Abekke beide Hände vor ihren Mund preßte. Nur Sebastian war sitzen geblieben. Ungläubig schüttelte er den Kopf.
    »Schau doch hin, du Narr«, schrie Abekke auf. Ihre Blicke richtete sich auf die Tür zur Halle, neben der sich ihre Landsknechte mit einigen Kannen Wein zum Würfelspiel niedergelassen hatten. Die bärtigen Männer waren von ihren Bänken aufgesprungen, die Hände am Griff ihrer Schwerter. Doch keiner von ihnen wagte es, näher zu kommen. So verharrten sie neben dem Eingang und starrten nur abwechselnd von ihrer Herrin zum Stuhl des alten von Bora hinüber.
    Philippas Augen schwammen in Tränen, als sie sich neben ihren Vater kniete. Ihr Mund war trocken vor Angst. Sie spürte, wie sich eine warme, schwere Hand auf ihre Schulter legte. Es war Roswitha. Die alte Frau half ihrer jungen Herrin behutsam auf die Füße, aber Philippa entwand sich unwirsch ihrem Griff.
    »Laß mich! Ich muß sehen, was ihm fehlt!«
    »Das dürft ihr nicht, mein Herz!« Roswithas sonst so hohe Stimme klang plötzlich ungewohnt hart und tönern. Derb krallten sich ihre Finger in Philippas wollene Robe. »Ihr habt doch auch die schwarzen Beulen unter seinem Kragen gesehen. Wenn Ihr so alt wärt wie ich und so viele Menschen hättet sterben sehen, wüßtet Ihr wovon ich spreche. Es sind … Pestbeulen!«
    »Teufelsküsse«, rief Abekke aufgebracht und warf mit einer ungelenken Bewegung den hohen Lehnstuhl von Philippas und Sebastians Mutter um.
    »Haltet Euren Mund!« herrschte Philippa die Medewitzerin an. »Ich verbiete Euch, dieses Wort noch einmal in unserem Haus auszusprechen!«
    Erschrocken hielt Abekke inne. Ihre Nasenflügel zitterten. Philippa wandte sich verächtlich von der jungen Frau ab und machte einige Schritte auf ihren Vater zu. Sie verbot sich selbst zu weinen. Nein, auf keinen Fall durfte er bemerken, daß seine Tochter Angst hatte. Es gelang ihr sogar, ein wenig die Mundwinkel zu heben, als sie sein Handgelenk ergriff und den flatternden, unregelmäßigen Pulsschlag zwischen ihren kalten Fingerspitzen fühlte. Die Augen des Gutsherrn glänzten wie dünnes Glas, und sein knochiger Körper wurde von Krämpfen hin und her geworfen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber kein Laut entwich seinen blutleeren Lippen. Dann sank er in seinem Sessel zusammen und verlor die Besinnung.
    Philippa glaubte sich in einen Alptraum versetzt. In ihren Ohren rauschte das Blut wie eine Sturmflut. Mit fahrigen Bewegungen dirigierte sie Golfried und Roswitha, die eine Trage herbeigeholt hatten, um ihren Herrn in dessen Kammer im Obergeschoß zu schleppen. Durch das Rauschen und Klopfen, das immer stärker wurde, hörte sie, wie sie den kleinen Jan, den jüngsten Sohn der Köchin, nach dem Medicus in Borna

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