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Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Titel: Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wsewolod Petrow
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gestiegen war, galt als vom Schlachtfeld entfernt, sonst konnte man nirgends hingehen; wenn einer nicht sprach und leise lag, galt er gleichsam als Abwesender. Man durfte sogar über ihn herziehen, wie man es bei Abwesenden tut. Es war nicht üblich, daran Anstoß zu nehmen. Um Frieden zu schließen, ging man ebenfalls zum Ofen: Hier war der einzige lebende, brennende Punkt im riesigen und toten Raum des Frostes und des Schnees.
II.  Wir fuhren so lange, daß wir allmählich den Überblick über die Zeit verloren. Man fuhr uns zur neuen Front. Niemand wußte, wohin man uns schickte. Wir fuhren von Station zu Station, als ob wir uns verirrt hätten. Man hatte uns wohl vergessen.
    Mal fuhr der Zug, mal stand er lange. Überall schneebedeckte Felder und Wälder, zerstörte Bahnhöfe. Oft hörte ich etwas explodieren, manchmal in der Ferne, manchmal fast direkt neben uns.
    Die Zeit war irgendwie vom Weg abgekommen: Sie verband nicht das Vergangene mit dem Zukünftigen, sondern lenkte mich zur Seite.
    Um mich herum waren Menschen, fremde Leben, die keinen Berührungspunkt mit dem meinem hatten.
III.  Die Frau Hauptmännin – die Frau von Hauptmann Fomin, eine gewaltige Frau mit dem Gesicht eines Mörders – pflegte ihr kränkliches Mädchen aus dem Bett zu nehmen und bei ohrenbetäubendem Kreischen schwungvoll mit ihren großen Händen zu schlagen. Danach ließ sie es durch den Waggon laufen, und dann mußte man auf der Hut sein: Das Mädchen stolperte und stürzte heulend zu Boden, und die Mutter stürmte wie eine wutentbrannte Elefantenkuh zu Hilfe und zerstörte und zerstampfte alles auf dem Weg.
    Levit setzte sich unbedingt so an den Kanonenofen, daß sich außer ihm keiner dort hinsetzen konnte; ebenso duldeten seine Feldkessel keine Nachbarschaft auf dem Ofen. Er ging auf besondere Weise durch den Waggon: Zuerst sagte er: »Ich entschuldige mich«, und dann trat er irgend jemandem mit den Stiefeln in die Suppe. Auf der Pritsche lag er nicht wie alle anderen längs, sondern irgendwie schräg, wobei er die Beine auf das benachbarte Territorium der Ärztinnen legte. Er schlief unter dichtem Schnarchen ein, kaum daß er sich auf die Pritsche gelegt hatte, und wälzte sich im Schlaf nach rechts und nach links, so daß er alles hinunterschubste, aber es reichte, daß jemand leise »Levit« sagte, damit er sofort mit dem Schnarchen aufhörte und überaus passend antwortete. Den unschuldigsten Übergriff – zum Beispiel seinen Koffer umzustellen – unterband er mit furchtbarem Fluchen, wobei er im ganzen Waggon seine Spucke verteilte, daß der Ofen zischte; er fing nur deshalb keine Prügelei an, weil er schon nicht mehr jung war und schlaff. Aber nachdem er sich und sein Eigentum auf die erforderliche Weise geschützt hatte, wurde er nett und sang mit Vergnügen mit den Schwestern im Chor; einmal hat er sogar das Tanzbein geschwungen.
    Die Ärztinnen nähten etwas.
    Galopowa, eine nicht mehr junge Schwester, fühlte sich immer von allen beleidigt. Ihr schien, daß das Mädchen der Fomins von oben auf sie herabspuckte. Das kam vielleicht auch vor.
    »Was lachen Sie? Ich bin nicht komischer als Sie«, sagte Galopowa, wenn irgend jemand lächelte.
    »Wir lachen nicht über Sie, überhaupt nicht«, sagte man ihr.
    »Doch, über mich, ich weiß es. An mir ist überhaupt nichts komisch«, antwortete Galopowa.
    Manchmal griff sie zur Gitarre und übte ihr einziges Lied:
    Was stehst du, schwankend,
    A-alte Eberesch’.
    Sie konnte das Lied einfach nicht bezwingen. Wenn man sie bat aufzuhören, sang sie es mit besonderer Beflissenheit zu Ende und fing sofort wieder von vorne an.
    »Ich bin um nichts schlechter als die anderen«, erklärte Galopowa.
    Mein Nachbar Aslamasjan hingegen war ritterlich. Er schlief sehr ausdrucksstark, lag ausgestreckt auf dem Rücken, eine Hand im Nacken. Er half allen, unsere höllisch schwere Waggontür zu öffnen und zu schließen. Tagsüber lag er für gewöhnlich barfuß auf der Pritsche, die gespreizten Zehen zur Decke gestreckt. Er war schnurrbärtig, dunkel, gedrungen und stark. Viele Schwestern wollten mit ihm anbandeln, aber er ließ sich nicht darauf ein und war gleichermaßen nett zu allen. Er sang auch gerne im Chor, tanzte aber nie.
IV.  Die Mädchen waren weniger unterschiedlich. So dachte ich wenigstens, wenn ich sie von der Pritsche aus betrachtete.
    Sie führten ihr eigenes Leben, voller Vogelleichtsinn. Unter der Pritsche kramten und wuselten und wimmelten sie und werkelten

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