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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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herausgefeiltes Schloss. Das war keine Allerweltstruhe, in die man vielleicht ein ganz normales Kind gesteckt hätte. Ein einfacher Hofbediensteter wäre an eine solche Truhe gar nicht herangekommen. Nein, ich bin überzeugt, dass hier höher gestellte Mitglieder der Hofhaltung am Werk waren und dass es sich um ein ganz besonderes Kind handelte.«
    »Also gut«, warf Pfarrer Kellermann ein, den es nun langsam in den nahe gelegenen Gasthof zum Bier zog, »es war kein gewöhnliches Kind. Wir müssen also nach potenziellen Eltern unter den höheren Hofchargen suchen. Was ich tun kann, ist, die Kulmbacher Taufregister der Zeit zu durchsuchen. Vielleicht war das Kind ja getauft – vorausgesetzt natürlich, das Kind ist in Kulmbach oder auf der Burg geboren. Und vielleicht ist etwas in den Sterberegistern zu finden – man weiß ja nie.«
    »Der nächste Schritt wäre, noch einmal die Plassenburg-Geschichte des Ritters von Lang auf Hinweise
zu durchforsten. Das könnte ich tun«, erbot sich der Kastellan.
    Kleinert stöhnte. »Ich habe momentan einfach keine Zeit, um mich darum zu kümmern. Die Registratur wird auf EDV umgestellt. Ihr könnt euch vorstellen, was da im Archiv los ist. Aber ich telefoniere gern mit meinem Kollegen Horn in Bamberg, ob ihm irgendetwas in den Plassenburg-Archivalien im relevanten Zeitraum aufgefallen ist.«
    Die drei Geschichtsforscher hatten in dem kühlen Depotraum längst angefangen zu frieren. Sie verließen die Temperierkammer und machten sich auf den Weg nach Kulmbach ins »Schiff«, wo der Kastellan wie immer ein Bier und eine doppelte Currywurst mit Pommes, dafür aber ohne Salat bestellte.
    Eine Viertelstunde später traf der Vierte im Bunde ein: Lehrer Götz hatte seine Sprechstunde hinter sich gebracht und freute sich auf ein bisschen Fachsimpeln mit Gleichgesinnten. Nach einigen Bieren trennten sie sich, und Gregor Haubold begann mit rhythmischen Schritten den langen Anstieg zu seiner Wohnung im Torbereich des Hochschlosses hinauf. Sein Atem verließ ihn in kleinen Wölkchen, die sich zögerlich in der winterlichen Nachtluft auflösten. Es begann zu schneien, als er die Stufen neben der Petrikirche erreichte, die in steiler Folge bis zur Burg führten. Die Gegenwart schien ihm mit jedem Schritt unwirklicher zu werden – woran die vier Biere im »Schiff« nicht
ganz unschuldig waren. Im Geiste sah der Kastellan ein schreiendes Baby, das aus der Wiege gerissen wurde, eine verzweifelte Mutter und einen gesichtslosen Bösewicht, der eine Truhe bereithielt …

Glogau, Dezember 1527
    »Das Geheimnis der Alchimie besteht gewissermaßen darin, sich eine Welt vorzustellen, in der es gelingt, irgendein beliebiges Metall in Gold zu verwandeln.«
    Der Herzog sperrte mit einem großen Bartschlüssel das Schloss der massiven Holztür auf, die ins Labor führte. Hinter ihm stand die kleine Herzogin und trat aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. Seit Wochen hatte sie keine Ruhe mehr gegeben, bis der Herzog schließlich eingewilligt hatte, ihr sein »Allerheiligstes« zu zeigen. Heute endlich war er mit ihr die vielen, vielen Stufen in das oberste Stockwerk des Turms hinaufgestiegen, um sie in die rätselhaften Erkenntnisse der Alchemie einzuweihen.
    Als die schwere Tür aufschwang und der Herzog ins Labor trat, blieb Barbara wie angewurzelt auf der Schwelle stehen. Ihre Augen wurden groß. Noch nie hatte sie etwas Derartiges gesehen: Auf einem Tisch in der Mitte des Raumes standen gläserne Kolben mit bauchigen Ausbuchtungen, lange schmale Röhrchen,
Schmelzpfannen und -tiegel, Mörser mit Stößeln, Filter und Siebe, Phiolen mit bunten Pulvern, eine Waage, sogar eine Destilliervorrichtung. Auf hölzernen Wandborden entdeckte sie Flaschen und Töpfe mit unbekannten Substanzen, Schöpfkellen und merkwürdige Werkzeuge, auf dem Boden drei Wassereimer und eine Truhe mit Lumpen. Vor einem der Fenster stand ein merkwürdiges Gestell, auf dem ein langes Rohr festgemacht war. Hinten im Raum befand sich eine Feuerstelle – das musste der Brennofen sein –, daneben ein großer Haufen Holzkohle.
    »Na, traut Euch nur herein, Liebden, ich werd Euch schon nicht wegzaubern!«
    Heinrich von Groß-Glogau und Crossen war gut gelaunt. Er schlüpfte in ein altes, fleckiges Gewand, das an der Wand hing, und machte sich daran, ein Feuer zu entfachen. Dabei erzählte er munter drauflos.
    »Das Wort Alchemie kommt aus dem Arabischen, müsst Ihr wissen. Der Begriff
al kimia
lehnt sich an das ägyptische
chem
an,

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