Die Markgräfin
Barbara war kreidebleich im Gesicht, ihr Kleid von Erbrochenem besudelt.
»Nein, nein«, antwortete der Herzog geknickt, »das war alles meine Schuld, Kind. Ich hätte wissen müssen, dass Ihr noch nicht stark genug seid, um das ›aqua ardens‹ zu vertragen. Kommt, ich helfe Euch hinunter in Eure Zimmer.«
Er griff Barbaras Arm und führte sie zum Labor hinaus. Als sie die Treppe hinuntergingen, blieb Barbara noch einmal stehen. Ängstlich sah sie den Herzog an.
»Aber, Liebden, Ihr nehmt mich doch wieder mit
ins Laboratorium? Ich möcht so gern mehr lernen, und Ihr könnt so schön erzählen. Ich bitt Euch!«
Der Herzog fasste das Kind fester um die Taille und blinzelte verschwörerisch.
»Das interessiert Euch also, was? Gut, Liebfräulein, ich nehm Euch wieder mit, wenn Ihr gern zuschauen und lernen wollt. Aber nur unter einer Bedingung: Ihr erzählt davon nichts Eurem Beichtvater. Herr Anselmus wird fuchsteufelswild, wenn er das Wort Alchemie hört; er sagt, es sei Teufelswerk und verderblich für jeden guten Christenmenschen – dabei wissen wir beide doch viel besser, dass es nur die Wunder der Natur sind, die dort entdeckt werden!«
Barbaras Augen leuchteten in dem immer noch bleichen Gesicht. »Bei meiner Seel, ich sag kein Wort, und Ihr nehmt mich wieder mit, versprochen?«
»Mein herzogliches Ehrenwort!«
Brief der Herzogin Barbara von Groß-Glogau
und Crossen an die markgräfliche Amme Anna
Martschin zu Ansbach, vorzulesen durch den Kaplan,
5 .Mai 1528
Gottes Gruß zuvor, herzallerliebste Martsch, und Gesundheit allezeit. Du hast mir durch den Hauspfaffen einen Brief schreiben lassen, wofür ich dir recht Dank sagen will. Ich habe auch Sehnsucht nach dir, aber Gott
hat mir meinen Platz eben hier zu Glogau eingerichtet, des müssen wir uns beide versehen. Das schlesische Hofleben gefällt mir weidlich, auch wenn ich als Herzogin viele Pflichten hab und nicht mehr alles tun kann, was mir gefällt. Meinem Ehemann bin ich herzlich zugetan, und er mir. Jeden Tag hat er eine Stunde für mich Zeit, in der wir uns über alle möglichen Dinge unter der Sonne unterhalten. Der Herzog ist bestimmt der klügste Mensch auf der Welt, und ich muss noch viel von ihm lernen. Seit Weihnachten, das heuer ohne Schnee war, darf ich mit in die Turmstube, wo der Herzog die Alkimie betreibt. Er will nämlich Gold zaubern. Neulich hat er mich recht zum Narren gehalten. Er hat Quicksilber in einen Tiegel getan, ein Pulver darzu gestreut und ins Feuer gestellt. Darin rührte er eine Weile mit einem Stab, bis alles verdampft war, und o Wunder – ein kleines Tröpfchen flüssiges Gold blieb im Tiegel übrig. Meine Freude war groß, denn ich glaubte, er habe endlich das Goldmachen entdeckt. Da lachte er mich am Ende aus und sagte, er habe an der Spitze des Rührstabs ein Bröcklein Gold versteckt und heimlich mit hineingerührt. Item so ist der Herzog immer zu Scherzen aufgelegt und bringt mich gern zum Lachen.
Liebste Martsch, grüß mir alle im Frauenzimmer und erzähle, dass es mir gut ergeht. Gib dem kleinen Albrecht einen Schmatz von mir. Ob er sich noch an mich erinnert? Und dann bitt ich dich noch, mir heuer eingemachte Kirschen schicken zu lassen, wie ich sie so
gerne ess, auch einige Stücke von dem Feigenkonfekt, das wir immer vom Nürnberger Apotheker gekauft haben. Gehab dich wohl und mit Gott.
Gegeben im Schloss zu Glogau, den Dienstag nach
Jubilate anno 1528
Barbara, Herzogin von Groß-Glogau und Crossen
Bamberg, Januar 2002
Gregor Haubold stand vor der alten Holztür des Staatsarchivs. Lange war er nicht mehr hier gewesen, das letzte Mal in seiner Studentenzeit, als er irgendeinen Fachaufsatz schreiben musste, dessen Thema er zu seiner eigenen Betrübnis vergessen hatte. Etwas wie Nostalgie kam in ihm auf. Trotzdem bereute er nicht, sein Studium in den Fächern Deutsch und Geschichte abgebrochen zu haben. Nach wie vor konnte er sich nichts Schöneres vorstellen, als Kastellan auf der Plassenburg und damit quasi ein Teil dieses alten Gemäuers zu sein. Der Gedanke, vor einem renitenten Haufen Oberstufenschülern zu stehen und irgendwelchen Spatzenhirnen den Westfälischen Frieden erklären zu müssen, ließ ihn immer noch schaudern.
Die Tür des Archivs war verschlossen, als ob es seine jahrhundertealten Schätze nicht so leicht preisgeben
wolle, schon gar nicht jemandem, der vielleicht ein uraltes Verbrechen aufzuklären gedachte, das längst verjährt und vergessen war. Haubold zögerte einen
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