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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ursprüngliche Form. Schwärze begann den Kolben zu füllen wie eine undurchdringliche Wolke, wurde dicker und schwerer. Es fing an zu stinken.
    Der Herzog holte den Kolben aus dem Feuer und hielt ihn Barbara begeistert unter die Nase: »Das ist die Flüssigkeit Nigredo, das schwärzeste Schwarz, dunkler als die Dunkelheit. Seht, wenn ich die Nigredo wieder ins Feuer halte und koche, dann bleibt am Ende nur schwarze Asche.«
    Barbara klatschte in die Hände. »Ihr seid wahrlich ein großer Artifex, Liebden. Zeigt Ihr mir auch noch die anderen Farben? Bitte!«
    Der Herzog ging sichtlich in der Aufgabe auf, seine kindliche Gemahlin in das Geheimnis der Chemie einzuführen. Aber nun wehrte er ab.
    »Die Nigredo war das Einfachste, alles andere ist viel komplizierter und würde Stunden dauern. Die Weißung ist mir schon gelungen, ebenso die Gelbung, deren Agens der Schwefel ist. Aber die Rötung! Ich habe schon viel versucht, auch, wie in manchen Büchern steht, das Blut des Pelikans hinzugetan … «
    »Das Blut des was?«
    »Des Pelikans – das ist ein seltener Vogel mit
riesigem Schnabel. Von ihm geht die Sage, dass er seine Jungen mit dem eigenen Blut nährt. Für ein Fläschchen dieses roten Stoffs habe ich damals meine Lieblingsreliquie eingetauscht: den Unterkiefer des heiligen Laurentius. Aber es hat nichts geholfen, die Rubedo ist nicht eingetreten. Vielleicht geht es ja nur, wenn man den Stein der Weisen dazugibt, wer weiß?«
    »Vom Stein der Weisen habe ich schon gehört, Liebden. Keiner hat ihn je gefunden.« Barbara war stolz, auch etwas zu wissen.
    »Ja, wenn ich den hätte! Besagtes Ding ist in jedem Regiment und überall zu entdecken, ein Stein und doch kein Stein, gewöhnlich und kostbar, versteckt und doch sichtbar für den Wissenden. Er hat einen Namen, doch haben ihm die Alchemisten viele Namen gegeben, um seinem exzellenten Wesen gerecht zu werden. Deshalb ist dieser Stein kein Stein, sondern etwas viel Wertvolleres. Ohne ihn kann die Natur nichts bewirken. Hält ein Mann den Stein oder Nicht-Stein in der Hand, wird er unsichtbar. Bindet er ihn mit einem Tuch an seinen Körper, steigt er auf in die Lüfte und kann fliegen, wohin er möchte … «
    Barbara dachte verblüfft einige Sekunden nach, dann gab sie freimütig zu: »Liebden, das verstehe ich nicht.«
    Der Herzog legte die Stirn in Falten, neigte sich zu Barbara und sah ihr tief und ernst in die Augen. Er
schnaufte ein paar Mal und nickte traurig: »Ich auch nicht.«
    Daraufhin brachen beide in prustendes Gelächter aus.
    »Kommt, meine kleine Ehefrau, jetzt lass ich Euch etwas probieren, das ich aus den Schriften des Theophrastus Paracelsus gelernt habe. Er ist Arzt und Professor an der Universität in Basel – das liegt in der Schweiz – und ich korrespondiere regelmäßig mit ihm. Hat schon geniale Erfindungen gemacht, der Teufelskerl.«
    Der Herzog holte eine kleine Flasche aus Steingut von einem Regal und entkorkte sie vorsichtig. »Diese Flüssigkeit ist bei alchemistischen Versuchen entdeckt worden. Sie entsteht, wenn man Wein kocht und die Dampftropfen auffängt. Man nennt sie ›Aqua ardens‹ – das heißt ›Wasser, das brennt‹. Es ist eine große Medizin, hilft bei schlechtem Magen, saurem Aufstoßen und nach übermäßiger Völlerei. Na, trinkt ein Schlückchen, aber Vorsicht, es ist scharf!«
    Barbara setzte die Flasche an den Mund und tat einen herzhaften Schluck. Daraufhin bekam sie einen Hustenanfall, der ihr die Tränen in die Augen trieb. Der Herzog brach erneut in grölendes Gelächter aus.
    Unter Erzählen und Trinken verging die Zeit – der Herzog sprach dem Weingeist tapfer zu, und auch Barbara trank noch einige Male mit Todesverachtung
aus der Flasche, nicht ohne jedes Mal halb zu ersticken vor Husten. Die zwei lachten und redeten und verstanden sich prächtig. Im Brennofen knisterte das Feuer, im Labor wurde es langsam warm, und das herzogliche Paar wärmte sich zusätzlich von innen mit Alkohol.
    Schließlich wurde Barbara furchtbar heiß. Sie begann zu schwitzen und bemerkte verwundert, dass ihr das Sprechen immer schwerer fiel. Ihre Bewegungen wurden fahrig und unsicher, und plötzlich begann sich alles vor ihren Augen zu drehen. Ihr Magen revoltierte. Der Herzog konnte ihr noch einen ledernen Eimer unterschieben, damit sie sich nicht auf den Boden erbrach. Während Barbara würgte und schluckte, hielt er fürsorglich ihre Stirn.
    »Es tut mir Leid, Liebden. Mir ist so schlecht. Ich habe alles verdorben.«

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