Die Markgräfin
Kinder, das ist deine Aufgabe, nicht mehr und nicht weniger.«
»Wie es Euch beliebt, Herr Vater, ich dank Euch für die Wahl.«
»Du scheinst nicht recht froh zu sein? Schaust wie ein Sauertopf!«
Barbara suchte nach Worten. Sie wusste, dass ein Mädchen über seine Heirat nicht zu bestimmen hatte und den Familieninteressen dienen musste. So war es auch bei ihrer ersten Ehe gewesen, die sich unerwartet als glückliche Wahl erwiesen hatte. Aber in der Zeit mit dem Herzog hatte sie auch gelernt, frei zu denken, und sie besaß einen eigenen Willen. Sie hatte geglaubt, dass sie als Herzogin mit eigener Herrschaft wenigstens vorher über eine neue Ehe befragt werden würde. Dass ihr Vater zum zweiten Mal über ihren Kopf hinweg entschieden hatte, traf
sie nun doch. Sie war nicht dumm, und die neue Ehe schien verlockend, aber sie hätte gerne selber mit bestimmt. Doch das alles konnte sie ihren Eltern nicht sagen.
»Hast du einen Wunsch?«, meinte gutmütig der Markgraf und kratzte sich am Bart. »Bist jetzt ja bald Königin.«
»Ja, Herr Vater, einen Wunsch hätt ich schon, ich … «, Barbara zögerte. Sie war sich der Ungehörigkeit ihres Ansinnens bewusst, aber dann sprach sie entschlossen weiter, » … ich möchte gern zusammen mit dem Albrecht unterrichtet werden.«
Der Markgraf sah sie verdutzt an, während seine Frau den Kopf schüttelte.
»Das ist ein recht seltsames Begehren, Tochter, wie kommst du auf solch ungewohnte Gedanken? Du bist doch eine Frau, und nicht garstig dazu, warum solltest du dich mit Dingen belasten, die nur Männer angehen? Wirst ohnehin nichts verstehen. Wozu soll das gut sein?«
»Ich bitt Euch, Vater. Mein toter Mann hat mich in Glogau viel gelehrt – ich möcht’s ihm zum Andenken.«
»Na, es sei. Du kannst froh sein, dass ich heut gut aufgelegt bin. Probier’s. Du wirst die Sache ohnehin bald lassen. Und an deinen toten Mann brauchst auch nicht mehr so viel denken – hast ja bald einen neuen!«
Barbara lächelte zum ersten Mal. »Danke, liebster Herr Vater, das werd ich Euch nicht vergessen!«
Die Markgräfin meldete sich zu Wort: »Du freust dich mehr über die Lernerei als über deine neue Ehe, wer soll das verstehen? Es wird sowieso nicht lang dauern, dann bist du in Böhmen. Bis dahin soll’s gut sein, du darfst jetzt gehen.«
An Weihnachten 1529 fand in der Ansbacher Schlosskapelle die zweite Heirat der Markgräfin Barbara von Brandenburg-Ansbach, Herzogin von Groß-Glogau und Crossen, statt. Da ihr Gatte in Prag aufgrund von politischen Schwierigkeiten unabkömmlich war, hielt man eine Hochzeit »per procurationem« ab, in der ein böhmischer Gesandter die Stelle seines Königs vertrat und das Jawort sprach. Es war eine schlichte und kurze Trauung, vorgenommen vom Abt von Heilsbronn, der gerade auf Besuch zu Ansbach weilte und der höchste Geistliche am Ort war. Als Zeugen waren mehrere Adelige geladen.
Barbara war ernüchtert von der kurzen, schmucklosen Zeremonie. Der Gesandte aus Böhmen verhielt sich ihr gegenüber recht freundlich, aber sie verstand seine Sprache nicht, und das machte sie verlegen. Sie beschloss, so schnell wie möglich Sprachunterricht zu nehmen, damit sie sich zukünftig mit ihrem Mann verständigen konnte. Sie hatte nämlich keinesfalls vor, eine dieser Ehen zu führen, die sich einzig
und allein auf die Produktion von Nachkommen beschränkten.
Nach der Trauungszeremonie verabschiedete sie artig den böhmischen Gesandten und wartete dann ungeduldig auf die Schneider, die ihr das Festkleid für die Heimführung nach Böhmen anmessen sollten. Diese war für den Sommer geplant, und dann, in Prag, sollte auch die feierliche Krönung stattfinden und die rechten Feierlichkeiten begangen werden.
Bamberg, Februar 2002
Gibt es einen Ort stilleren Arbeitens und größerer Konzentration als den Benutzersaal eines Archivs? Kein lautes Wort durchbricht die angestrengte Ruhe, in der die Historiker mit den uralten Zeugnissen vergangener Zeiten in schweigsame Zwiesprache treten. Das Bamberger Staatsarchiv war keines dieser modernen Gebäude aus Stahl und Beton, sondern ein alter vierflügeliger Bau, dessen Seiten sich um einen Innenhof gruppierten, in dem Gras wuchs und Obstbäume standen. Die Gänge mit den zum Teil antiken Schränken waren dunkel und schlecht beleuchtet, ebenso der Lesesaal, der im hinteren Teil eine Empore hatte, auf der die Aufsicht thronte.
Seit fast zwei Wochen – er hatte unbezahlten Urlaub
genommen – durchforschte
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