Die Markgräfin
verblüfften Aufschrei zu Boden ging und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Knöchel rieb.
»Euer markgräfliche Gnaden! Kommt sofort zurück! So wollt Ihr wohl hören!«
Aus der Ferne drang die wütende Stimme eines Mannes.
»Psst! Da ist der Präzeptor«, flüsterte der kleine Markgraf Albrecht, ein braunhaariger, blasser Junge von sechs Jahren.
»Au weh! Das gibt Keile!«, meinte betrübt der zweite Bub, der ein Jahr ältere Landgraf zu Leuchtenberg, der, genauso wie der Dritte im Bunde, einer der jungen Grafen von Gleichen, mit dem Markgrafen zusammen erzogen wurde.
Der Lehrer Beck, ein bärtiger Mann mittleren Alters, dessen Haare sich schon deutlich lichteten, lief hochroten Kopfes auf die Kinder zu, in der Hand eine stattliche Haselrute. Schon griff er sich den kleinen Georg von Leuchtenberg, der hilflos zu zappeln anfing und Barbara den verzweifelten Blick eines waidwunden Rehs zuwarf. Das Mädchen rappelte sich auf und fiel dem Präzeptor in den Arm.
»Magister Beck, nicht schlagen, es ist alles meine Schuld, ich habe die jungen Herren aus der Lernstube gelassen!«
Beck, der liebend gern zugeschlagen hätte, ließ widerwillig die Rute sinken. Gegen das Wort der jungen Herzogin wagte er nicht aufzubegehren, und er war schon gar nicht berechtigt, sie zu züchtigen. Ärgerlich versetzte er: »Ich werde bei nächster Gelegenheit dem Markgrafen berichten, Euer Gnaden. Ihr wisst, dass Euer Bruder, wie es allüberall üblich ist, mit sechs Jahren das Frauenzimmer verlassen hat, um nunmehr eine rechte Erziehung zu genießen. Er ist nicht
mehr Euer Spielkamerad, und ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr Euch danach zu richten wüsstet.«
Er drehte sich auf dem Absatz um, packte die drei Buben und lief mit ihnen zum Schloss zurück.
Barbara setzte sich auf die steinerne Bank vor der Buchsbaumhecke. Was war dieser Präzeptor Beck doch für ein widerwärtiger Mensch. Der humorlose Tropf setzte wahrhaftig alles daran, den Buben das Leben zu vergällen. Manchmal zeigte ihr der kleine Albrecht sein mit Striemen bedecktes Hinterteil und schwor schluchzend und schniefend und mit kindlichem Zorn in der Stimme, er werde den Beck umbringen, wenn er erst erwachsen sei. Und Barbara zerfloss vor Mitleid, war ihr doch der kleine Bruder sofort wieder ans Herz gewachsen, als sie nach Ansbach zurückgekehrt war. Der Sechsjährige wurde ihr Vertrauter und Spielkamerad, ihr Schutzbefohlener und Hätschelkind.
Im Frauenzimmer hatte sie außer der alten Martsch kaum Freundinnen, am wenigsten ihre älteste Schwester Kunigunde, die es ihr herzlich missgönnte, in der höfischen Rangordnung über ihr zu stehen. Die übergewichtige, wenig attraktive Achtzehnjährige neidete ihrer Schwester die frühe Ehe, während sie selbst trotz einer hohen Mitgift bisher noch keinen Heiratskandidaten gefunden hatte. Und dass Barbara jetzt als reiche Erbin zurückgekommen war und bei
Hof höhere Achtung genoss als sie, konnte Kunigunde nicht verwinden. Und auch Ursula, die Zweitälteste mit dem Gesicht voller Pockennarben, hatte wenig für die hübsche junge Barbara übrig, die zudem mit dem Herzogtum Glogau gut versorgt war.
Auch Barbaras Mutter brachte der zurückgekehrten Tochter wenig Zuneigung entgegen. Sie hatte sich nie viel um ihre Kinder gekümmert – deren Betreuung war Sache der Ammen gewesen – und es bereitete ihr Missvergnügen, dass es jetzt wieder drei heiratsfähige Töchter bei Hof gab, um deren günstige Vermählung sie sich zu kümmern hatte.
Bei ihrem Gatten, dem Markgrafen, brauchte sie nicht lange auf eine erneute Vermählung Barbaras zu drängen. Dieser nämlich hatte selber schon längst seine Fühler ausgestreckt. Der nächste Heiratskandidat, so die Überlegungen des Markgrafen, musste mindestens im Rang eines Herzogs oder eines hohen Reichsfürsten stehen, brachte Barbara doch als Leibgeding das reiche Herzogtum Groß-Glogau-Crossen mit in die Ehe. Und sie war überdies noch ein schön anzusehendes Mädchen, zu allem Glück auch noch unberührt, trotz ihrer Witwenschaft.
Kaum war Barbara in Ansbach angekommen, hatte sich ihr Vater schon auf die Suche nach einem geeigneten Heiratskandidaten gemacht. Das Arrangieren von Hochzeiten gehörte zur hohen Schule der Diplomatie, und der Markgraf liebte dieses Spiel. Er streckte
diskret seine Fühler beim deutschen, ja europäischen Adel aus, verfasste Briefe, schickte Gesandte, verteilte hier Geschenke und dort Handsalben in klingender Münze. Am Ende war er selbst
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