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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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muss … sterben … vorbei ... Luft … «
    Ein schwaches Aufbäumen folgte, dann fiel der Herzog in die Kissen zurück. Sein Atem war fast nicht mehr hörbar, und irgendwann, als draußen der Morgen graute und die Nebel über der Oder schwebten, hörte er ganz auf. Das Schloss hüllte sich in Schweigen.
    Barbara war mit zwölf Jahren Witwe, noch bevor sie zur Ehefrau geworden war.
     
    Die prunkvollen Begräbnisfeierlichkeiten dauerten drei Tage, bis der Herzog mit einem Leichenzug, der mehrere Kilometer lang war und vom Schloss durch die Stadt Glogau bis zum Dom führte, an die Stätte seiner letzten Ruhe gebracht wurde. Das Volk, das den Herzog nie recht geliebt hatte, bemitleidete dafür umso mehr seine blutjunge Witwe, die allein neben dem Leichenwagen schritt. Der Witwenschleier ließ Barbaras schlanke Gestalt noch kindlicher wirken, und sie trug ihn, als würde er sie ersticken.
    Auch Barbaras Vater, der Markgraf Friedrich von Brandenburg-Ansbach, war zum Leichenbegängnis angereist, zusammen mit seinem ältesten Sohn Georg, einem pausbäckigen, dicklichen Fünfzehnjährigen, der zwar von gutmütiger Art, aber etwas schwer von Begriff war. Die Freude, ihren Bruder und Vater wiederzusehen, linderte Barbaras Trauer. Sie begriff aber schnell, dass nicht sie oder das Begräbnis der Grund ihres Kommens war, sondern die Regelung des glogauischen Erbes. Zu diesem Zweck war ein Treffen von Landständen und Räten anberaumt worden, in dem der Markgraf von Ansbach die Ansprüche seiner Tochter vertrat – Barbara war ja als Frau nicht rechtsfähig.
    Und dem alten Fuchs, der für seine schlaue Verhandlungstaktik bekannt war, gelang das, womit eigentlich niemand gerechnet hatte: Durch geschicktes Lavieren und Ausnutzen von Streitigkeiten der einzelnen Parteien erwirkte er gegen den Widerstand eines Großteils des ansässigen Adels, dass Barbara als Erbin des Herzogtums Groß-Glogau und Crossen offiziell anerkannt wurde. Als Zugeständnis erreichte der glogauische Adel, dass in den nächsten fünf Jahren die Regierung einem zehnköpfigen Rätekonsortium anvertraut wurde, das dem Markgrafen regelmäßig Bericht erstattete, im Großen und Ganzen aber unabhängig wirtschaften konnte.
    Zwar war dadurch Barbaras Erbe vorläufig gerettet,
der Markgraf erachtete es jedoch für zu unsicher, seine Tochter in Glogau zu lassen. Er beschloss, Barbara bis auf weiteres mit nach Ansbach zu nehmen, wo man in aller Ruhe und ungestört weitere Maßnahmen zur Sicherung Groß-Glogaus in die Wege leiten konnte.
     
    Barbara verließ das Glogauer Schloss mit gemischten Gefühlen, hatte sie doch hier zwei glückliche Jahre verbracht und war jetzt zumindest nominell Landesherrin. Aber ohne den Herzog schien ihr ein Leben in Glogau trist und freudlos, und je weiter sich ihre Reisekutsche von Glogau entfernte, desto mehr begann sie sich auf ihre alte Heimat zu freuen, besonders auf ihren kleinen Bruder Albrecht und auf die dicke Martsch, ihre alte Amme. Barbara machte es sich in einer Ecke ihrer Kutsche bequem und drückte ihr Hündchen fest an sich. Sie ahnte nicht, dass sie ihr Herzogtum nie wiedersehen würde.

Ansbach, September 1529
    Der Spätsommer war in diesem Jahr außergewöhnlich mild. Die Rosen im Ansbacher Hofgarten blühten noch fleißig und verströmten ihr betörendes Aroma in der Mittagssonne. Das Wasserspiel plätscherte glucksend im Brunnen unter der Linde, während die ersten
Eichhörnchen schon nach gefallenen Haselnüssen suchten, um sie als Wintervorrat zu vergraben. Denn frühmorgens war es bereits kühl und diesig, und ihr Instinkt sagte den Tieren, dass ein harter und langer Winter bevorstand.
    Von der Schmiede her war ein Klopfen und Hämmern zu hören – der Markgraf hatte fünf neue Rösser für den Marstall gekauft, vier braune Wallache und eine kleine Rappstute, die jetzt beschlagen werden mussten. Und über den Rasen wehte der Duft von frisch gebackenem Brot aus der Backstube.
    Aus der Südecke des Hofgartens erklang mehrstimmiges Kreischen und Gelächter, und plötzlich brachen aus einer Buchsbaumhecke drei kleine Buben, rannten kichernd und mit den Armen rudernd quer über die Wiese, wo sie in wildem Durcheinander hinpurzelten und sich prustend am Boden wälzten. Hinter ihnen rannte sehr undamenhaft mit gerafften Röcken und barfuß die verwitwete Herzogin von Groß-Glogau und Crossen und stürmte mit den Worten »Jetzt hab ich euch!« auf die Buben zu. Deren kleinster stellte ihr ein Bein, worauf sie mit einem

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