Die Markgräfin
die Beine und hielt sie fest am Arm, während er sich, immer noch
zeternd, mit ihr durch die Menge schob, auf das Fursfeh’sche Haus zu.
Heinrich Fursfeh saß an seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer und rechnete. Vor ihm lagen verschiedene Kerbhölzer, in die eingeschnitzt war, wie viele Sack Getreide im letzten Jahr zur Ochsenmast verbraucht worden waren. Wie immer sah der alte Wirt und Kaufmann Achtung gebietend aus in seiner reichen Bürgertracht aus feinsten Stoffen und mit der runden Kappe aus Samt. Eigentlich verstieß er mit dem üppig bestickten Seidenwams, den Spitzenbesätzen seiner Ärmel und der Pelzverbrämung seiner Mütze gegen die gültige Kleiderordnung, aber schließlich war er einer der reichsten Bürger der Stadt und konnte sich einiges erlauben.
Katharina war seine drittälteste Tochter, das einzige Kind, das ihm aus der zweiten Ehe mit der bald darauf im Kindbett gestorbenen Margareta Sporer geblieben war. Die beiden älteren Töchter waren bereits gut verheiratet, aber um die dreizehnjährige Katharina hatte er sich noch nicht viele Gedanken gemacht, blieb ihr doch noch ein bisschen Zeit bis zur Heiratsfähigkeit.
Heute hatte sich jedoch für seine Katharina etwas ganz anderes ergeben. Die Hauptmännin, die wegen des Marktes vom Schloss nach Kulmbach heruntergekommen war, hatte bei ihm hereingeschaut und ihr Anliegen vorgebracht: Sie habe Auftrag, für die
Schwester des Markgrafen, die sich mindestens die nächsten Monate zu Plassenberg aufhalte, zwei Dienerinnen zu suchen, unbescholtene, gut erzogene und ledige Kulmbacher Töchter, die bei der Markgräfin im Schloss Wohnung nehmen und ihr aufwarten sollten. Nun sei es angemessen, die vornehmsten Bürger der Stadt nach weiblichen Familienmitgliedern zu fragen, die diese Bedingungen erfüllten.
Der alte Fursfeh frohlockte und schlug sofort seine Tochter Katharina vor. Eine seiner Töchter als markgräfliche Zofe, das war ein Glücksfall, der nicht alle Tage vorkam. Und bei Hof taten sich womöglich gute Heiratschancen für die hübsche Kätha auf, ein Verwaltungsbeamter vielleicht oder gar einer vom niederen Adel …
Bevor Katharina die Schreibstube des Vaters betrat, spähte sie erst einmal vorsichtig durch die halb geöffnete Tür, um festzustellen, wie wütend er war. Als sie jedoch den großen Weinhumpen auf dem Schreibtisch zwischen den Kerbhölzern und Geschäftsbüchern sah, atmete sie auf. Wenn Heinrich Fursfeh sich Wein ins Kontor bringen ließ, war er auf jeden Fall gut gelaunt.
Das Mädchen strich sich die Röcke glatt und trat ins Zimmer.
»Herr Vater, Ihr wolltet mich sehen?«
Heinrich Fursfeh setzte seine Augengläser ab – ein
Luxus, auf den er besonders stolz war – und winkte Katharina zu sich.
»Komm nur her, du Herumtreiberin, hast Glück, dass ich dir nicht den Hintern versohle. Es gibt Neuigkeiten. Die Hauptmännin war bei mir um deinetwillen.«
»Vater, ich hab bestimmt nichts angestellt, ich schwör’s bei der heiligen Muttergottes!«
Katharina wurde himmelangst.
»So? Na, das will ich wohl hoffen. Die Hauptmännin sucht nämlich ein braves und hochanständiges Mädchen als Hofdienerin für die Markgräfin Barbara im Schloss. Und ich habe ihr gesagt, du seist genau die Richtige.«
Katharina glaubte, nicht recht verstanden zu haben.
»Ich soll ins Schloss als Zofe? Aber ich bin doch keine vom Adel.«
»Adel oder nicht Adel! Pah! Du bist eine wohlbescholtene Bürgerstochter aus guter Familie, vergiss das nicht! Und ich mein wohl, du kommst aus reicherem Haus als so manches adlige Frauenzimmer. Das gilt heutzutage viel, manchmal mehr als Stand und Herkunft, für die doch keiner kann! Deine Stiefmutter hat dich recht erzogen, du bist ein sauberes Ding und gescheit dazu. Eine wie du kann in jedem herrschaftlichen Haushalt bestehen. Und wenn du an den Hof gehst, ist das eine Ehre für die ganze Familie.«
Katharina schluckte. Wie immer, wenn sie aufgeregt war, bekam sie rote Flecken im Gesicht. Sie stieß einen kleinen Juchzer aus.
»Zofe der Markgräfin! Was werden die anderen Mädchen neidisch sein. Ganz Kulmbach wird Augen machen! Das muss ich gleich der Margareta und der Elisabeth erzählen, und … «
»Bleibst du da!«
Der alte Fursfeh musste seine Tochter bremsen.
»Die Hauptmännin kommt und holt dich nach dem Marktgang. Bis dahin pack dein Bündel und alles, was du brauchst. Sag deinen Geschwistern und deiner Stiefmutter Ade und wart, bis du gerufen wirst. Dass du mir ja rechtzeitig
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