Die Markgräfin
Gesicht. »Aufsässiges Miststück, das du bist! Nimm die Feder!« Er zwang ihr den Gänsekiel in die Hand, hob das Schriftstück vom Boden und legte es vor seine Schwester hin. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, aus denen Gift und Galle schoss. »Wenn du nicht gehorchst, Barbara, dann schwör ich dir bei Gott, dass du aus diesem Loch nie wieder herauskommst, so wahr ich Albrecht von Brandenburg-Ansbach heiß! Ich lass dich auf Wasser und Brot in deinem eigenen stinkenden Auswurf sitzen, bis du langsam krepierst! Du hast mich noch nicht kennen gelernt!«
Seine Faust knallte auf die Tischplatte.
Barbara wusste, dass ihr Bruder fähig war zu tun, was er androhte. Wie ein Ring legte sich die Verzweiflung um ihre Brust. Sie fühlte Panik in sich aufsteigen, unkontrollierbar, wahnsinnig. Die Intensität dieses Gefühls traf sie wie ein Schlag. Sie begann am ganzen Leib zu zittern. Sogar ihre Zähne klapperten, sodass sie sie zusammenbeißen musste. Es war ihr nicht möglich, noch einen klaren Gedanken zu fassen, sie spürte nur eines: dass sie das, was Albrecht mit ihr vorhatte, nicht ertragen würde. Sie packte die Feder fester, glättete das Papier und setzte mit unsicherer
Schrift ihren Namen unter das lügnerische Dokument.
Sofort ließen die Panik und das Zittern nach. Sie barg das Gesicht in den Händen.
Albrecht schnappte sich das Pergament und rollte es zusammen.
»Warum nicht gleich so?«, knurrte er.
»Da hast du deinen Willen, Bruder.« Barbara versuchte, wieder Fassung zu gewinnen. »Darf ich jetzt die Vogtei verlassen? Bitte!«
Albrecht befingerte seinen schmerzenden Nacken und verzog das Gesicht. »Wo denkst du hin, Schwesterlein?« Er grinste. »Schließlich besteht noch deine unsägliche Verlobung. Überhaupt, ich weiß gar nicht, was du willst. Dir geht’s hier doch gut! Vielleicht wirst du hier herauskommen, wenn ich einen richtigen Ehemann für dich gefunden hab, einen, der von Vorteil ist und standesgemäß. Wer weiß?«
Er wandte sich zum Gehen und klopfte an die Tür, damit der Wächter öffnete.
»Nein!« Barbaras Entsetzen stand in ihren Augen. Sie klammerte sich an ihren Bruder. »Ich muss hier heraus, Albrecht, ich halt’s nicht mehr aus, bitte … «
Der Markgraf versuchte, sich aus ihrem Griff zu winden. Er hatte es eilig; seine Wunde im Nacken pochte und brannte höllisch.
»Dann schreib doch deinem Wicht von einem Buhlen ab!«, brüllte er.
Er packte Barbara an den Schultern und stieß sie so schroff von sich weg, dass sie strauchelte. Die Markgräfin stürzte ihm mit ausgestreckten Armen nach.
»Bleib! Albrecht!«
Sie versuchte, ihn mit der linken Hand am Wams zu fassen, aber er war schon durch die Tür und schlug diese von draußen mit aller Kraft zu.
Barbara schrie. Ihr kleiner Finger steckte zwischen Türrahmen und Schloss.
Kulmbach, Juni 1545
Das Mädchen mit dem dicken blonden Zopf schlüpfte durch die Seitentür des imposanten Bürgerhauses an der Hauptstraße. Noch an der Schwelle schnallte sie die hölzernen Trippen an ihren Schuhen fest, denn es hatte die ganze Nacht geregnet und die Straßen und Gassen der Stadt waren voll schlammiger Pfützen. Am Morgen war Gott sei Dank die Sonne durchgekommen, denn heute war Markttag, und da konnte man gutes Wetter gebrauchen. Eigentlich hätte Katharina nicht alleine zum Johannimarkt gehen dürfen – sie war schließlich die Tochter des alten Fursfeh, als Wirt, Kaufmann und Ochsenhändler einer der wichtigsten Männer der Stadt. Für eine anständige Bürgerstochter geziemte es sich nicht, herumzustreunen
wie ein Armeleutekind. Aber heute war ihr dreizehnter Geburtstag, und sie hatte beschlossen, diesen Tag nicht mit dem langweiligen Hüten ihrer jüngeren Geschwister zu verbringen.
Es war noch früh, und der städtische Hirte war gerade dabei, das Vieh zusammenzutreiben, um es auf die Weiden und Tränkstellen außerhalb der Stadt zu führen. Katharina zwängte sich zwischen Kuhschwänzen durch bis zum Platz vor der Kirche. Hier hockten bereits die Kulmbacher Bettler, verkrümmte Gestalten, mit Schwären bedeckt, armlos, beinlos, blind, unbehaust. Ein Stück abseits kauerte der Gott sei Dank einzige Leprose der Stadt, der aussätzige Niklas, der regelmäßig zur Warnung mit seiner Klapper rasselte. Für diese Ärmsten der Armen war der Markttag, an dem viele Münzen den Weg in ihre Holzschalen fanden, eine bitter notwendige Überlebensquelle.
Nicht weit entfernt stand der Schandpfahl, und Katharina entdeckte nicht
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