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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ohne Genugtuung, dass heute die Helmbrechtin daran gekettet war, ein wegen seiner Zanksucht stadtbekanntes garstiges Weib, das die Spottreden der Vorübergehenden mit herausgestreckter Zunge und groben Gesten beantwortete. Neben ihr steckte gerade der Büttel einen Stadtfremden in den Fußblock, weil dieser bei einem Diebstahlsversuch erwischt worden war. Noch am Abend würde man den Delinquenten aburteilen und mit Schimpf und Schande aus den Mauern jagen.
    Katharina erreichte den gepflasterten Marktplatz, nachdem sie vorher noch schnell mit einem waghalsigen Sprung dem Inhalt eines Nachttopfs ausgewichen war, den die Magd des Pfannenschmieds aus dem Fenster im ersten Stock gekippt hatte. Am Rathaus war die rote Marktfahne aufgehängt. Solange sie im Wind flatterte, besaßen auch die von auswärts kommenden Verkäufer das Marktrecht. Überall hatten sie ihre Tische und Stände aufgebaut, waren Buden, Zeltdächer und Holzbänke aufgestellt worden. In den Torbögen des Rathauses hielten die einheimischen Handwerker ihre Waren feil, Schneider, Schuster, Gürtler, Bäcker und Metzger. Katharina stand mit großen Augen vor den bunten Schlitzkleidern, die auf Bügeln von einer hohen Querstange herabhingen, schaute mit Begeisterung die farbigen Bänder an, die die Tuchhändler auf Rollen befestigt hatten, dass die Enden lustig herumflatterten. Das Mädchen entdeckte einen Mönch, der Rosenkränze anbot, einen Kammmacher mit hölzernen und beinernen Kämmen und Bürsten, einen Pastetenbäcker mit herrlich duftenden Teigtaschen. Da waren die Messerer, die Flaschenschmiede mit ihren blechernen Trinkgefäßen, ein Fingerhutmacher aus dem Schwäbischen, Zinngießer, Nagler und Werkzeugmacher. Und natürlich die Töpfer, die Pfeifenkrämer, die Weber, Färber und Gerber, die ihre Tuche, Felle und Lederwaren feilboten.
    Katharina ließ sich in der Menge der Käufer und
Schaulustigen treiben. Geld hatte sie keines dabei, aber es genügte ihr, die ganze bunte Vielfalt des Markttreibens zu beobachten. Wann sonst gab es in der Stadt so viel Interessantes zu sehen? Nicht einmal bei den großen kirchlichen Prozessionen herrschte so viel Trubel.
    Vor dem Marktwirtshaus führte ein Gaukler einen Tanzbären vor, während die Umstehenden einen respektvollen Kreis um die beiden bildeten. Katharina war das riesige braune Tier unheimlich, obwohl es an seiner Kette mit dem Nasenring die drolligsten Drehungen vollführte und eigentlich recht friedlich aussah. Ein paar Lausbuben ärgerten den Petz, indem sie kleine Steinchen auf ihn warfen, bis der Besitzer des Tieres einen der Lümmel am Schlafittchen packte und ihm ein paar saftige Watschen verpasste. Das Publikum murmelte beifällig.
    Katharina grinste schadenfroh, denn der Geohrfeigte war der Nachbarsbube Kunz, mit dem sie eine innige Feindschaft verband. Sie ging weiter und schaute staunend zu, wie ein fahrender Geselle einen Vogel vorführte, der allerlei Worte krächzen konnte. Als der Vogel jedoch seinem Meister schlimme Schimpfworte und Obszönitäten nachzusprechen begann, genierte sie sich und ging schnell weiter.
    Ihre Aufmerksamkeit wurde schon wieder von etwas Neuem gefesselt. Vor der Wohnung des Nachtwächters stand ein Bettelmönch auf einer Kiste und
stritt mit einem fahrenden Scholaren über die Putzsucht: »So sind die des Teufels, die mit geschlitztem Gewand umherlaufen und glauben, ihrer Schönheit käm nichts auf Erden gleich! Toren, die ihr euch putzt wie die Gockel – Narren wie euch weist der Erzengel Gabriel mit flammendem Schwert von der Paradiespforte!«
    Katharina bekam ein schlechtes Gewissen, hatte sie heute doch extra das schöne blaue Seidenband für die Haare genommen und eine neue Schürze mit feinen Stickereien umgebunden. Sie drehte sich um und rannte schnell weg, vorbei an dem Fladenbäcker, der warme Kümmelbrote im Bauchladen anbot, und an dem Fischverkäufer aus Trebgast mit seinem Eimer frisch gefangener Aale.
    Das Mädchen prallte schmerzhaft gegen jemanden, fiel hin und rieb sich die Knie. Auch das noch! Als sie hochsah, erkannte sie den alten Rübsam, einen der Knechte ihres Vaters, der sich vor ihr aufgebaut hatte und schimpfte.
    »Du weißt genau, dass du nicht allein auf den Markt gehen darfst, freches Ding. Seit einer Stund such ich dich schon, als ob ich nix anders zu tun hätt! Stehst jetzt gleich auf und gehst mit heim. Dein Vater will dich sehen, ist wohl was Wichtiges, na wart, der wird dir was erzählen.«
    Er zog das Mädchen unsanft auf

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