Die Maske des Meisters
ins Büro zurück, reinigte die Sitzfläche des Stuhls und sammelte Wärmesalbe, Gleitcreme und Ledermanschetten ein. Nachdem sie den Stringtanga angezogen hatte, um das Gefühl der Verruchtheit noch ein wenig zu genießen, legte sie alles in eine große Plastiktüte und verstaute diese unter ihrem Bett.
Ihr Blick schweifte zum großen orangefarbenen Retrowecker, den sie auf einem Trödelmarkt in New York erstanden hatte. Ein Wecker mit einem Ziffernblatt, zerkratzt und ohne Sekundenzeiger – für andere Menschen Müll, für Claire ein Schmuckstück. Todd war normalerweise längst zu Hause. Der Chat und die Dusche hatten länger gedauert als erwartet. Deshalb war sie froh, dass er offensichtlich im Sheriff’s Department noch zu tun hatte.
Nachdem sie den Küchenstuhl zurück ins Erdgeschoss gebracht hatte und der Bürostuhl wieder vor dem Schreibtisch stand, lächelte sie zufrieden. Es gab keine Hinweise mehr auf den Webcam-Chat. Außer die Webcam selbst. Claire würde Todd einfach erzählen, dass sie mit einer New Yorker Freundin über das Internet telefoniert hatte. Sie hatte keine Lust, die Kamera zu verstecken und jedes Mal wieder heimlich anschließen zu müssen, wenn sie sich online mit Vali traf.
Claire wusste nicht, wie sich alles entwickeln würde, aber sie wollte gewappnet sein.
Obwohl die Sonne tiefer stand, brannte sie noch mit derselben Kraft. Claire war immer noch aufgewühlt. Sie legte sich auf ihr Bett, weil ihr Körper nach Ruhe verlangte, aber als sie lag, spürte sie das angenehme Brennen zwischen ihren Beinen stärker, Nachwehen der intensiven Penetration. Ihr Kitzler war zwar weitaus weniger empfindlich als noch vor dem Duschen, wurde jedoch schon wieder durch den engen ledernen String gereizt. Oder durch die Gedanken an Vali.
Sie versuchte sich abzulenken, dachte an Belanglosigkeiten, aber er tauchte immer wieder vor ihrem geistigen Auge auf. Dieses Bild von einem Mann ohne Gesicht, das machte Claire rasend. Jede Faser ihres Körpers gierte danach, mehr über ihn zu erfahren. Wie sah er aus? Was machte er beruflich? War er solo oder in einer Beziehung, gar verheiratet? Wohnte er weit entfernt? Gab es eine Chance, dass sie in der realen Welt zusammenfanden?
Claire wälzte sich von einer Seite auf die andere, blieb schließlich auf dem Rücken liegen und starrte zur Decke.
Plötzlich schwang sie ihre Beine über die Bettkante und stand schwungvoll auf. „So geht das nicht.“
Es hatte keinen Sinn, liegen zu bleiben, denn sie konnte einfach nicht abschalten. Was kannte sie von Vali? Seine Hände, seine Wölbung – und seinen Nickname. Bisher hatte sie ihn nicht einmal gefragt, was sein Chatter-Name bedeutete.
Es hatte sich immer alles um sie, Claire, gedreht. Ihren Namen Nymphae, ihre Lust, ihre Lehrstunden.
Aber sie war gerne bereit dazu, auch etwas zu geben. Dazu musste Vali sie jedoch erst einmal näher an sich heranlassen. Das würde sie ihm bei ihrer nächsten Online-Unterhaltung am Abend deutlich machen.
Bis dahin konnte sie nur eins tun: die Bedeutung seines Alter Egos herausfinden.
Sie bekam ein schlechtes Gewissen, als sie zurück an den Computer ging und seinen Namen in eine Suchmaschine eingab, denn sie wollte ihm nicht hinterherspionieren. Ihre Beziehung hatte nur eine Chance, wenn sie ehrlich zueinander waren. Aber waren nicht 99 % der Chatter Lügner, weil sie sich im World Wide Web neu erfanden und vorgaben, etwas zu sein, das sie in Wirklichkeit nicht waren?
Sie alle trugen Masken, das hatte Vali gesagt, und er war einer von ihnen.
Die Neugier siegte. Die Schmetterlinge im Bauch ließen ihr keine Ruhe. Sie musste einfach prüfen, ob der Name Vali eine Bedeutung hatte. Claire fand, dass Chatternamen etwas über die Person aussagten, die sie trugen, auch wenn sie mit ihrem danebengelegen hatte. Vielleicht auch nicht, möglicherweise hatte das Schicksal ihr einen Streich gespielt und die Wahrheit herausposaunt, denn Claire hatte nach Lust gesucht, und Nymphae drückte dies indirekt aus.
Sie klickte auf das Jetzt-Suchen-Icon. Die Suchergebnisse erschienen. Aufgeregt glitt ihr Blick über die Einträge. Vali war der Vorname eines Installateurs, der seine Dienste in Boston anbot. Es gab den Boxverein Vali Fair Boxing in Kalifornien und einen russischen Maler, dessen Vernissage in Houston beworben wurde.
Ihre Aufmerksamkeit wurde auf eine freie Enzyklopädie gelenkt. Obwohl dort auf den Namen Wali hingewiesen wurde, klickte sie den Link an, denn gleich darunter in den
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