Die Maske des Meisters
der ihr zu entgleiten schien. Es war, als würde Vali, nun da er bei ihr war, die Kontrolle über ihre Emotionen übernehmen.
„Hast du mein Versteck hier vermutet?“ Er schnalzte und hob ihr Kinn mit der Breitseite der Klinge an. „Das wäre wie eine Burg ohne Schutzwall. Für wie dumm hältst du mich?“
„Dann bist du mir gefolgt.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Ihre Stimme zitterte. „Bin ich die Nächste?“
„Entspann dich, Hippiegirl. Du bist noch nicht an der Reihe.“
Noch nicht. Weshalb ließ er sich so viel Zeit mit ihr?
Sie beobachtete, wie er das Messer an der Spitze fasste, ausholte und es in Richtung der gegenüberliegenden Wand warf. Die Klinge blieb in einem Balken stecken. Obwohl er das Messer nicht gegen sie gewandt hatte, ahnte sie, dass sie nicht ungeschoren davonkommen würde.
Langsam schritt er um Claire herum. Würde sie heute sein Gesicht zu sehen bekommen? Vorfreude regte sich in ihr. Doch sie bemühte sich, das Glücksgefühl im Keim zu ersticken. Denn an dem Tag, an dem er sich ihr offenbarte, wäre ihr Schicksal besiegelt, und sie würde zu einem weiteren Opfer von Ase werden.
Wie lange konnte Vali noch die Oberhand behalten?
Als er jedoch vor ihr stand und sie ihn in voller Größe sah, zuckte sie innerlich zusammen, versuchte jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen.
Mit lautem Rattern raste der Zug am Haus vorbei. Claire sah ihn durch die gesplitterten Glasscheiben hinter Vali vorbeirauschen und zog ihre Schultern ein.
In Wahrheit war sie froh, abgelenkt zu sein. Sie wollte Vali nicht ansehen, denn sein Anblick erschreckte sie.
26. KAPITEL
Er trug eine Maske.
Vali versteckte sein Gesicht hinter einer Balaklava, die Mund und Augen frei ließ. Es handelte sich um eine dieser dünnen Gesichtsmasken, die man unter Motorradhelmen trug. Oder bei einem Bankraub. Er sah aus wie ein Schwerverbrecher, Angst einflößend und düster.
Während sie ihn mit pochendem Herzen musterte, schaute er sie schweigend an. Muskulöse Unterarme ragten aus seinem dunklen T-Shirt heraus. Er schien zu trainieren.
Hoffentlich keinen Kampfsport, dachte sie, doch sie war ihm ohnehin körperlich unterlegen. Gut sah er aus, groß und breitschultrig, aber er war kein Schrank von einem Mann, sondern schlichtweg umwerfend männlich.
Er wischte seine Handflächen an seiner schwarzen Cargohose ab und machte einen Schritt auf sie zu, wobei seine dunklen Kampfstiefel knirschten, als wären sie ungetragen und das Leder neu.
Der Zug entfernte sich immer weiter, und damit schwand auch Claires Ablenkung.
„Hast du die Handfeuerwaffe schon einmal benutzt?“, fragte sie bissig und zeigte auf das Gürtelholster.
„Reiner Selbstschutz.“
„Ja, klar.“ Sie schnaubte und überspielte ihre Angst mit Zorn. „Und das Bajonett in deinem Beinholster?“
Bevor Vali antwortete, machte Claire einen Satz zur Seite und hechtete um ihn herum. Er streckte seine Arme nach ihr aus, bekam sie jedoch nicht zu fassen. Sie visierte ihr Steakmesser an, auch wenn es geradezu lächerlich klein gegenüber Valis Bajonett war. Zielstrebig rannte sie darauf zu. Sie stolperte über etwas, das auf dem Boden lag, fing sich jedoch wieder und hastete weiter.
Die Furcht trieb sie an. Vali trug zu viele Waffen. Und die Maske flößte ihr Angst ein. Sie war unsicher, mit wem sie es heute zu tun hatte. Es war jedenfalls nicht der Verführer, den sie gestern am See geliebt hatte.
Ihre Fingerspitzen berührten bereits den Griff. In diesem Moment umschlang Vali ihren Körper von hinten und riss sie zurück.
Sie streckte sich nach dem Küchenmesser, doch es war zu weit weg.
„Wieso vertraust du mir nicht?“, knurrte er in ihr Ohr. „Nach unserem letzten Treffen solltest du wissen, dass ich dir niemals wehtun würde.“
„Wie kann ich jemandem trauen, der nicht nur im Chat eine Maske trägt?“, keuchte sie atemlos.
„Es ist nicht wichtig, welches Gesicht hinter der Maske steckt, sondern welche Absichten derjenige hegt.“ Eng drückte er sie an sich. Vali drang geschickt unter ihr Shirt und legte die Hand auf ihren Busen. Unendlich sanft begann er ihn zu massieren. Er rieb ihre Brustspitzen zwischen Daumen und Zeigefinger und machte Claire somit deutlich, welche Absichten er hatte. „Ich kann an nichts anderes mehr denken als an dich.“
Seine Berührungen ließen Claire nicht kalt. Ihr Atem ging nun rascher, und sie lehnte den Hinterkopf gegen seine Schulter, aber ihr Inneres war immer noch aufgewühlt, denn seine
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